Nachwuchsforscherin M. Sc. Melanie Senger
Maßgeschneidertes Essen aus dem 3D-Drucker

Portrait Melanie Senger

Melanie Senger; Foto: print2taste

Lebensmittel aus dem 3D-Drucker, personalisierte, auf den Einzelnen zugeschnittene Mahlzeiten – Melanie Senger, Nachwuchswissenschaftlerin und Mitgründerin des Start-ups print2taste (heute Procusini 3.0), spricht über die zukünftigen Anwendungsmöglichkeiten des Foodprintings und den „Procusini“.

Melanie Senger, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Lebensmitteltechnologie der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT), forscht im enable-Cluster zum Thema personalisierte Ernährung für Menschen mit Kau- und Schluckstörungen. Sie hat an der Technischen Universität München Ernährungswissenschaften studiert und das Start-up print2taste, eine Ausgründung des Instituts für Lebensmitteltechnologie der HSWT, mitgegründet.

EU-Projekt PERFORMANCE

Die ersten Versuche, personalisierte* Mahlzeiten zu drucken, enstanden im Rahmen des EU-Forschungsverbundprojekts PERFORMANCE (PERsonalised FOod using Rapid MAnufacturing for the Nutrition of elderly ConsumErs), an dem die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf beteiligt war. In der Arbeitsgruppe von Prof. Lötzbeyer am Institut für Lebensmitteltechnologie wurde ein Smoothfood-Konzept mitentwickelt: Feste Lebensmittel werden püriert und erhalten mithilfe unterschiedlicher Texturierungsmittel wieder eine ansprechende Form. Es besteht auch die Möglichkeit, einzelnen Betroffenen ganz nach Bedarf Nährstoffe zuzusetzen. Durch den Einsatz von 3D-Druck soll die ökonomische Herstellung solcher, auf den Einzelnen zugeschnittener, Smoothfood-Mahlzeiten ermöglicht werden. Das Ziel des Forschungsprojekts war es, den Ernährungsstatus und somit die Lebensqualität von Menschen mit Kau- und Schluckstörungen zu verbessern.
„Wir haben im Projekt verschiedene Texturierungsmittel charakterisiert und anschließend in der Lebensmittelmatrix untersucht“, erklärt Melanie Senger. „Wie verhalten sich die Lebensmittel einzeln und in Kombination? Gibt es Synergien? Oder behindert das eine das andere?“ Die Mahlzeiten wurden anschließend beim Projektkoordinator biozoon in Bremerhaven auf einer Pilotanlage industriell gedruckt, eingefroren und in zwei Senioreneinrichtungen verkostet.

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* Unter einer personalisierten Ernährungsweise wird eine auf das Individuum zugeschnittene Ernährung verstanden. Ältere Menschen haben zum Beispiel andere Nährstoffbedürfnisse als Schwangere. So ist bei älteren Menschen die Proteinzufuhr meist unzureichend. Auch in der Gruppe der älteren Menschen sind die Bedürfnisse ganz unterschiedlich. Nach der Entschlüsselung des menschlichen Genoms entstand der Forschungsbereich Nutrigenomik: Aus den Erkenntnissen der Genomforschung werden individuelle Ernährungsempfehlungen abgeleitet. Dies eröffnet ganz neue Möglichkeiten für die Prävention ernährungsmitbedingter Erkrankungen.

Procusini: Lebensmittelkartusche einsetzen und losdrucken

Irgendwann entstand die Idee, einen kleinen 3D-Drucker für zu Hause und die Gastronomie zu entwickeln – der Procusini war geboren. „Zuerst kamen händische Versuche. Später haben wir einen alten 3D-Drucker, der Kunststoffe verarbeitet, umgebaut und einen Hähnchenschlegel in Puppenstubengröße gedruckt. Das hat sich irgendwann verselbstständigt“, so Senger. „Wir haben gemerkt, das funktioniert nur, wenn Drucker, Lebensmittel, Einstellungen eine Einheit bilden und gedacht, das wäre doch fantastisch, wenn man das alles liefern könnte!“
Der „Procusini” ist weltweit der erste Play&Plug 3D-Drucker für Lebensmittel. „Die Handhabung vom Procusini ist ganz einfach. Er kann direkt nach dem Auspacken benutzt werden! Köche, Konditoren, Patissiers oder Gastronomen haben nicht die Zeit, sich monatelang mit einer Software zu beschäftigen“, erläutert Senger. Die ersten Drucker sind bereits verkauft. Die erste Lebensmittelkartusche, die zurzeit angeboten wird, ist Marzipan. Die Palette soll künftig um weitere Produkte ergänzt werden. 40 Lebensmittel hat das Team bisher erfolgreich gedruckt. Auf einer Online-Plattform stehen der Community zudem 3D-Modelle zum Download und Rezepte zur Verfügung.

Zur Online-Plattform Procusini.com Externer Link

Der 3D-Drucker für Lebensmittel "Bocusini" (heute Procusini) von print2taste.

Der 3D-Drucker für Lebensmittel "Bocusini" (heute Procusini) von print2taste. Foto: print2taste

Finanziert wurde das Vorhaben über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter. „Wir stellten unseren Prototypen, den umgebauten 3D-Drucker für Kunststoffe, auf Kickstarter vor und haben schnell gemerkt, das Interesse ist definitiv da“, berichtet Melanie Senger. „Unser Ziel, 30.000 Euro einzunehmen, haben wir in weniger als einer Woche erreicht und da haben wir weitergemacht.“ Das print2taste-Team nahm Kontakt zu Printrbot, einem 3D-Drucker Unternehmen, auf und stellte ihr Konzept vor. „Zusammen mit Printrbot haben wir einen Metallkopf für den Drucker entwickelt, denn wir sind Spezialisten für Lebensmittel und keine Maschinenbauer“, so Senger.

Die Kampagne von print2taste auf Kickstarter Externer Link

Von der Produktidee bis zur Marktreife

Welche Kenntnisse und Ressourcen benötigt man, um eine gute Produktidee bis zur Marktreife zu bringen? Laut Melanie Senger brauchen Start-up-Gründer neben einer soliden Frühphasen-Finanzierung vor allem operative Unterstützung – besonders wichtig sind ein guter Businessplan und eine Marketingstrategie. „Eine sehr gute Finanzierungsform für den Anfang ist die Crowdfinanzierung. Hier kann man einfach testen, ob es für eine Geschäftsidee einen Markt gibt oder nicht“, so Senger. „Es gibt viele gute Beratungsangebote für Unternehmensgründer, z. B. an der TU München die UnternehmerTUM. Man sollte sich unbedingt Unterstützung holen. Das Know-how allein aus der Wissenschaft reicht oft nicht!“ Sich austauschen, netzwerken, die richtigen Kontakte suchen sei laut Senger ebenfalls essenziell. Ein Messebesuch hat beispielsweise zu einer engeren Zusammenarbeit mit einer großen Konditorei geführt.

Zukunftsvision personalisierte Ernährung

Sengers Arbeit und Engagement folgt einer Langzeitvision: „Wir glauben daran, dass personalisierte Ernährung helfen kann, das individuelle Erkrankungsrisiko zu minimieren und wollen vor allem in Richtung Seniorenverpflegung weitermachen.“ Für Melanie Senger ist die Nutzung kleinerer 3D-Lebensmitteldrucker in der Verpflegung von Menschen mit Kau- und Schluckbeschwerden in Zukunft auch denkbar: „Es wäre schön, wenn man regionale Unterschiede beachten kann. Dafür wäre ein kleinerer Drucker, der sich vor Ort befindet, ideal. Das ist noch Zukunftsmusik, aber wir sind auf dem Weg dahin!“