Nachbericht vom 02.12.2019
A2-Milch bleibt den Beweis schuldig

Ein neuer Trend um die Milch macht die Runde – die Rede ist von der sogenannten A2-Milch. Doch was ist von diesem neuen Trend zu halten? Ist die neue Milch gesundheitlich anders zu bewerten als die herkömmliche Milch? Diese Fragen bewegen zunehmend Verbraucher und die Milchbranche in Deutschland. Aus diesem Grund hat das Kompetenzzentrum für Ernährung – KErn zusammen mit Cochrane Deutschland die aktuelle wissenschaftliche Literatur gesichtet und bewertet. Die Ergebnisse dieser systematischen Übersichtsarbeit stellte das KErn am 2. Dezember 2019 bei einem Wissenschaftsseminar in Freising vor.

Prof. Dr. Meerpohl hält einen Vortrag

Prof. Dr. Jörg Meerpohl
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Doch was verbirgt sich eigentlich hinter A2-Milch?
Professor Dr. Jörg Meerpohl vom Institut für Evidenz in der Medizin an der Universitätsklinik in Freiburg und Direktor von Cochrane Deutschland, erklärte: "Die Ergebnisse der untersuchten Studien waren nicht einheitlich und zum Teil widersprüchlich. Zudem gab es Mängel im Studiendesign und die untersuchten Parameter waren sehr unterschiedlich, so dass wir auch nicht mehrere Studien zusammenfassen konnten. In den untersuchten Studien ließ sich keine klare Beziehung zu gesundheitlichen Störungen herstellen." Daraus zog er die Schlussfolgerung, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Empfehlung für die A2-Milch ausgesprochen werden kann.
Prof. Dr. Götz bei seinem Vortrag

Prof. Dr. Kay-Uwe Götz
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Ist A2-Milch eine Zukunftsfrage für die Tierzucht?
Der Agrarwissenschaftler und Leiter des Instituts für Tierzucht der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, Professor Dr. Kay-Uwe Götz, betrachtete das Thema A2-Milch aus Sicht der Landwirtschaft. Zur Produktion von A2-Milch sind Tiere mit dem A2A2-Genotyp nötig. Das hat Folgen für die Population. Laut Götz ist die Produktion an A2-Milch als Nischenprodukt derzeit problemlos möglich. Doch die Herdenumstellung benötigt Zeit. A2-Milch als Mainstream zu produzieren hätte weitreichende Konsequenzen. Der Agrarwissenschaftler sieht in der A2-Milch einen neuen Hype der zwei Trends bedient: die Vermeidung potenzieller Ernährungsrisiken und Ernährung als „Social Tattoo“. Zudem wäre eine komplette und schnelle Umstellung der Zuchtpopulationen unverantwortlich und hätte langfristig für die Erzeuger keine positiven Auswirkungen. Einzelne Betriebe, deren Ausgangssituation günstig ist und ein potenter Abnehmer bereit steht, können laut Götz über eine Umstellung nachdenken. Doch der Aufschlag für den Er-zeugerpreis sollte mehr als 8 ct/kg betragen. Der Experte gibt jedoch zu bedenken, dass bei den derzeitigen Strukturen der großen Molkereien eine Umstellung auf A2-Milch zu lange dauert und diese sich daher in andere Gebiete orientieren.
Prof. Dr. Erdmann hält seinen Vortrag

Prof. Dr. Johannes Erdmann
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Die Milch machts?
Der Ernährungsmediziner von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Professor Dr. Johannes Erdmann, nahm in seinem Vortrag die ernährungsphysiologische Sicht unter die Lupe. Seit Jahren gibt es immer wieder kritische Stimmen, die Milch generell für diverse Erkrankungen wie zum Beispiel Diabetes, Krebs oder Arteriosklerose verantwortlich machen. Die einzig reproduzierbaren Zusammenhänge zwischen Karzinomen und Milch gibt es bislang nur für das Prostatakarzinom. Und obwohl Milch angeblich eine Gesundheitsgefahr darstellt, zeigen Statistiken, die sich mit der Lebenserwartung beschäftigen, dass die Menschen in Deutschland immer älter werden. Ist also die Milch so schlecht, wie manche behaupten? Für den Ernährungsmediziner steht fest, dass Milch und Milchprodukte besonders für eine ausreichende Calziumzufuhr notwendig sind: „Es ist naiv zu glauben, dass bevölkerungsbezogen eine ausreichende Calziumzufuhr ohne Milch und Milchprodukte erreicht werden kann.“
Doch wie sieht es jetzt mit A2-Milch aus? Auch hier sieht der Ernährungs-mediziner keine wissenschaftlichen Beweise für eine positive oder negative Wirkung der A2-Milch.
Die Referenten bei der Podiumsdiskussion

v.l.: Prof. Dr. Johannes Erdmann, Prof. Dr. Jörg Meerpohl, Christine Röger, Prof. Dr. Kay-Uwe Götz, Jutta Saumweber, Prod. Dr. Gerd Harzer
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Heiß diskutiert
In der abschließenden Podiumsdiskussion stellten sich die Referenten und Experten wie Jutta Saumweber, Leiterin des Referats Lebensmittel und Ernährung der Verbraucherzentrale Bayern, als auch Ernährungswissenschaftler Professor Dr. Gerd Harzer, den Fragen des Publikums. Die zum Teil hitzigen Diskussionen zeigten die emotionale Seite der A2-Milch. Anwesende Landwirte, die bereits in ihren Betrieben erfolgreich A2-Milch produzieren und vermarkten, sind aufgrund der vielen positiven Rückmeldungen seitens ihrer Kunden von der A2-Milch überzeugt. Dennoch fehlt bisher die wissenschaftliche Evidenz und so ließ sich am Ende der Veranstaltung nur ein Fazit ziehen: Es sind weitere Humanstudien, die eine hohe Datenqualität liefern, notwendig. Doch dafür braucht es Zeit und Geld.