GeliS-Fachkongress am 20. April 2018 im Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in München
Erste Ergebnisse der GeliS-Studie
©Hauke Seyfarth
Immer mehr Forschungen zeigen, dass die pränatale Phase und die ersten Lebensjahre die entscheidenden Phasen für eine lebenslange Gesundheit sind. Aus diesem Grund haben Prof. Hans Hauner (TU München) und das KErn das Kooperationsprojekt GeliS – Gesund leben in der Schwangerschaft – initiiert.
Ziel des GeliS-Projekts war es, Frauen während Schwangerschaft und in der ersten Zeit nach der Geburt zu einem gesundheitsförderlichen Lebensstil zu motivieren. Der Fachkongress „Gesund leben in der Schwangerschaft (GeliS) – Erste Ergebnisse der GeliS-Studie im wissenschaftlichen Kontext“ fand am 20.04.2018 im Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) in München statt.
Durch die Veranstaltung führten Dr. Kathrin Rauh vom KErn und Martin Heyn vom Bayerischen Zentrum für Prävention und Gesundheitsförderung (ZPG).
10.00–10.30 Uhr: EINFÜHRUNG
- 10.00–10.10: Begrüßung | Rainer Prischenk, Leiter KErn
- 10.10–10.20: Grußworte | Prof. Wolfgang H. Caselmann, Stv. Abteilungsleiter Prävention, Gesundheitsschutz im Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP), und Dr. Annette Scheder, Bereichsleiterin Gesundheitsförderung, AOK Bayern – Die Gesundheitskasse
- 10.20–10.30: Statement | MD Eckbert Dauer, Leiter der Abteilung Ernährung und Markt am Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF)
10.30–12.00: FRÜHKINDLICHE PRÄVENTION – AKTUELLER WISSENSSTAND UND EMPFEHLUNGEN
- 10.30–11.00: Fötale Programmierung der Adipositas – aktuelle Erkenntnisse | Dr. Beate Landsberg, Universitäts-Kinderklinik Düsseldorf
- 11.00–11.30: Effect of lifestyle interventions in pregnancy on gestational weight gain and pregnancy outcomes: Results of the i-WIP Collaborative Group | Prof. Shakila Thangaratinam, Queen Mary University, London
- 11.30–12.00: Aktuelle Handlungsempfehlungen zur Ernährung und Bewegung in der Schwangerschaft | Maria Flothkötter, Bundeszentrum für Ernährung (BZfE), Bonn
12.00–13.15: Mittagspause
13.15–14.30: GELIS – DIE ERGEBNISSE
- 13.15–14.00: Präsentation der GeliS-Ergebnisse | Prof. Hans Hauner, TU München
- 14.00–14.30: Diskussion der Ergebnisse
14.30–15.00: Kaffeepause
15.00–15.45: PROJEKTE ZUR FÖRDERUNG EINES GESUNDEN LEBENSSTILS IN DER SCHWANGERSCHAFT
- 15.00–15.15: PEBS – Ernährungs- und Bewegungsberatung in der Schwangerschaft bis 1 Jahr nach Geburt | Sibylle Abt, Universitätsspital Zürich
- 15.15–15.30: GeMuKi – Gemeinsam gesund: Vorsorge plus für Mutter und Kind | Dr. Anne-Madeleine Bau, Plattform Ernährung und Bewegung e.V. (peb), Berlin
- 15.30–15.45: BabyCare – gesund & schwanger | Dr. Wolf Kirschner, FBE Forschung Beratung Evaluation GmbH, Berlin
15.45–16.30: AUSBLICK UND ABSCHLUSS
- 15.45–16.25: Podiumsdiskussion: Lebensstil-Intervention in der Schwangerschaft – mögliche Perspektiven | Maria Flothkötter, BZfE; Prof. Hans Hauner, TU München; Dr. Thomas Kauth, Kinder- und Jugendarzt, Ludwigsburg; Dr. Wolf Kirschner, FBE; Dr. Kathrin Rauh, KErn; Petra Schlierf, Regierung von Oberfranken
- 16.25–16.30: Abschluss | Martin Heyn, Bayerisches Zentrum für Prävention und Gesundheitsförderung (ZPG)
Die Eröffnung des Fachkongresses übernahmen der Leiter des KErn, Rainer Prischenk, sowie Prof. Dr. Wolfgang Caselmann, stv. Abteilungsleiter Prävention, Gesundheitsschutz im Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege und Dr. Annette Scheder, Bereichsleiterin Gesundheitsförderung bei der AOK Bayern, als Vertreter der Kooperationspartner der GeliS-Studie. MD Eckbert Dauer, Leiter der Abteilung Ernährung und Markt am StMELF, sagte zur Zusammenarbeit und Projektunterstützung durch das Ministerium: „Mit der wissenschaftlichen Studie haben wir wertvolle praxisnahe Erkenntnisse gesammelt, auf welchem Weg die „Zielgruppe Schwangere“ am besten erreicht wird, welcher Bedarf in der Zielgruppe vorhanden ist und welche Unterstützung gewünscht wird.“
Prävention beginnt bereits im Mutterleib
Zur Einführung in die Thematik gaben nationale und internationale Experten den ca. 130 interessierten Kongressteilnehmern einen Einblick in das Forschungsfeld der frühkindlichen Prägung und Prävention. Dr. Beate Landsberg von der Universitäts-Kinderklinik Düsseldorf präsentierte aktuelle Erkenntnisse und Mechanismen zur "Fötalen Programmierung" der Adipositas. „Die Entstehung von Übergewicht und metabolischen Störungen wird bereits durch sehr frühe Einflussfaktoren in der Schwangerschaft begünstigt“, so Dr. Landsberg. Stärkster Einflussfaktor ist dabei mit einer zwei- bis dreifachen Risikoerhöhung die mütterliche Adipositas zu Beginn der Schwangerschaft. Dies ist insofern relevant, weil in Deutschland mehr als ein Drittel der Frauen im gebärfähigen Alter übergewichtig oder adipös sind. Weitere Risikofaktoren stellen das Auftreten eines Gestationsdiabetes, eine übermäßige Gewichtszunahme und das Rauchen in der Schwangerschaft sowie weitere Faktoren, wie die Zusammensetzung des Stuhl-Mikrobioms in frühen Lebensphasen, dar.
Extra aus London reiste die renommierte Wissenschaftlerin Prof. Shakila Thangaratinam zur Veranstaltung an. Sie leitet das internationale Netzwerk zur Thematik Gewichtsmanagement in der Schwangerschaft mit 16 teilnehmenden Ländern (i-WIP). Im Rahmen des Konsortiums wurden die Effekte von Lebensstil-Interventionen in der Schwangerschaft auf die Gewichtszunahme und andere Parameter im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt anhand von über 12.000 Teilnehmerdaten untersucht. Zusammenfassend zeigten die Ergebnisse klare Vorteile einer Lebensstil-Intervention mit den Komponenten Ernährung und Bewegung in der Schwangerschaft, schlussfolgerte Prof. Thangaratinam.
Maria Flothkötter, Leiterin des Netzwerks „Gesund ins Leben“ im Bundeszentrum für Ernährung, stellte anschließend die aktuellen Handlungsempfehlungen zur Ernährung und Bewegung in der Schwangerschaft vor. Als Hauptaspekte für die Beratung von schwangeren Frauen nannte Flothkötter die Themen Gewichtsentwicklung in der Schwangerschaft, Energie- und Nährstoffbedarf in der Schwangerschaft, Supplementierung von Folsäure, Jod und ggf. Eisen, Schutz vor Lebensmittelinfektionen, ausreichende Bewegung sowie die Vermeidung von Alkohol und Rauchen. Derzeit werden die Handlungsempfehlungen aufgrund aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse überarbeitet. So wird z.B. der präkonzeptionellen Phase als Einflussfaktor für kindliches Übergewicht Rechnung getragen.
Im September 2018 sollen die neuen Handlungsempfehlungen zur Ernährung und Bewegung in der Schwangerschaft bei den Bonner Ernährungstagen vorgestellt werden.
GeliS-Studie identifiziert Bedarf und Wunsch nach Lebensstil-Beratungen bei Schwangeren in Bayern im Rahmen der Routine-Vorsorge
Den Höhepunkt der Veranstaltung bildete die Vorstellung der ersten GeliS-Ergebnisse durch den Projektinitiator und Studienleiter Prof. Hans Hauner.
Mit 2.286 rekrutierten Studienteilnehmerinnen sei die GeliS-Studie weltweit die größte Studie ihrer Art, so Hauner. Auch wenn der primäre Endpunkt der Studie, die Gewichtszunahme in der Schwangerschaft, durch die Beratungen im Rahmen der Studie nicht signifikant gesenkt werden konnte, so gebe es doch positive Effekte der Intervention auf verschiedene andere Endpunkte, wie das Geburtsgewicht der Kinder und die Rate an Geburtseinleitungen, fasste Hauner die Kernergebnisse zusammen. „Die GeliS-Studie bestätigt den dringenden Handlungsbedarf bezüglich übermäßiger Gewichtszunahme in der Schwangerschaft. Um dieses Problem anzugehen, wünschen sich schwangere Frauen Unterstützung in Form von umfassenden Lebensstilberatungen parallel zur routinemäßigen Vorsorge“, so Hauners Schlussfolgerungen.
Weitere Ergebnisse der GeliS-Studie finden Sie auf unserer Homepage
Gemeinsam die Gesundheit von Mutter und Kind fördern
Nachmittags stellten Experten drei weitere Projekte mit dem Ziel Gesundheitsförderung von Mutter und Kind vor.
Frau Sibylle Abt, Geschäftsführerin des Vereins PEBS am Universitätsspital in Zürich, begann mit der Vorstellung des schweizerischen Projekts PEBS - Präventive Ernährungs- und Bewegungsberatung in der Schwangerschaft bis ein Jahr nach der Geburt. Im Rahmen von PEBS werden für Schwangere und Mütter ein Jahr lang Fitnesskurse in der Gruppe und individuelle Ernährungsberatungen angeboten, so schilderte Abt das Angebot. Es werden dabei speziell auch Frauen mit Migrationshintergrund berücksichtigt. Damit die Prävention greift, ist es wichtig, möglichst alle Frauen zu erreichen und zu informieren, unabhängig ob sie untergewichtig, normalgewichtig oder übergewichtig sind. Die Stärkung der Gesundheitskompetenz schwangerer Frauen und junger Familien sei auch ein Kernanliegen in der Schweiz, so Abt weiter.
Dr. Anne-Madeleine Bau von der Plattform Ernährung und Bewegung in Berlin gab nähere Informationen zum Projekt GeMuKi - Gemeinsam gesund: Vorsorge plus für Mutter und Kind. GeMuKi ergänze die üblichen gesetzlichen Vorsorgeuntersuchungen bei Frauenarzt, Hebamme und Kinder- und Jugendarzt durch individuelle präventive Beratungen zu den Themen ausgewogene Ernährung, angemessene Bewegung und gesunde Lebensführung und knüpfe damit eng an GeliS an. Eine wichtige Komponente der Intervention sei die Motivierende Gesprächsführung sowie eine gemeinsame Daten-, Kommunikations- und Informationsplattform, so Dr. Bau.
Als letztes Projekt stellte Dr. Wolf Kirschner, Leiter der Evaluationsforschung der Forschung Beratung Evaluation GmbH in Berlin, das Projekt BabyCare vor. Mit bis zu 40.000 schwangeren Teilnehmerinnen pro Jahr erreiche BabyCare nicht nur eine große Zahl Schwangerer mit personalisierten Empfehlungen zur Gesundheitsförderung sondern verbessere auch die epidemiologische Datenlage hinsichtlich Schwangerschaft und Geburt in Deutschland, erläuterte Dr. Kirschner. Gerade in Zeiten einer immensen Informationsflut sei es wichtig, die Komplexität zu reduzieren und mittels wissenschaftlich gesicherter Informationen und individueller Empfehlungen zur Gesundheitsförderung die schwangeren Frauen zu bestärken.
Abschließend diskutierten verschiedene Experten rund um das Thema der Veranstaltung mögliche Perspektiven für eine Lebensstil-Intervention in der Schwangerschaft. Die Diskutanten waren sich einig, dass eine Beratung zur gesunden Lebensführung in der Schwangerschaft und den ersten Lebensjahren sinnvoll ist und gewünscht wird.
Die Ausgestaltung einer möglichst wirksamen und zugleich wirtschaftlichen Beratung bleibt aber noch zu klären. Der interdisziplinäre Austausch und eine Kooperation verschiedener Partner aus Wissenschaft, Verbänden, Politik und Krankenkassen muss weiter forciert werden, um eine Übernahme in die Regelvorsorge zu erzielen.
Herr Heyn schloss die Veranstaltung mit der Feststellung, dass die GeliS-Studie motiviere, über viele Dinge nachzudenken und zu diskutieren - so wie es bereits auf dieser Veranstaltung nach den einzelnen Beiträgen erfolgte.
Bei perfektem Frühlingswetter lud der Schmuckhof des StMELF zu einem regen Austausch, Netzwerken und Diskussionen zwischen Referenten und Teilnehmern während der Pausen und auch noch nach Abschluss der Veranstaltung ein.