Nachhaltige Ernährung mit Planetary Health Diet & DGE
Theorie & Praxis – Ernährungsrichtlinien im Check

EAT DGE

Die Empfehlungen der Planetary Health Diet werden international von vielen Experten als globale Referenzernährung für eine nachhaltigere Ernährungsweise herangezogen. Ziel einer DGE-Stellungnahme war es, die Planetary Health Diet den Orientierungswerten für eine vollwertige Ernährung der DGE sowie dem tatsächlichen Lebensmittelverzehr in Deutschland anhand der Nationalen Verzehrsstudie (NVS II) gegenüberzustellen. Der Vergleich zeigt, dass eine klimagerechte Ernährung nicht nur Ressourcen schont, sondern pflanzenbetont, gesundheitsförderlich und nachhaltig sein kann. Die gemeinsame Herausforderung ist die praktische Umsetzung, denn die aktuellen Ernährungspräferenzen wie auch das regionale Angebot an verfügbaren Lebensmitteln weichen erheblich von den Empfehlungen ab – sowohl von der Planetarernährung als auch von den Ernährungsempfehlungen der DGE.


Was ist die Planetary Health Diet?

Die Planetary Health Diet ist die erste globale- und wissenschaftlich begründete Empfehlung für den Verzehr von konkreten Lebensmittelmengen mit dem Ziel einer gesundheitsförderlichen und nachhaltigen Ernährung. Erstellt wurde dieses Konzept durch die aus rund 37 Experten bestehende EAT-Lancet Kommission im Jahr 2019, die im Verlauf von drei Jahren bestehende wissenschaftliche Daten zu Gesundheit, Ernährung und Umwelt ausgewertet hat. Durch diese umfassende wissenschaftliche Basis und die holistische Herangehensweise erhielt der Bericht enorme Aufmerksamkeit.

Welche Empfehlungen gibt die EAT-Kommission?

Laut Planetary Health Diet müsste sich für eine gesunde und nachhaltige Ernährung die global verzehrte Menge an Obst, Gemüse und Nüssen und Hülsenfrüchten verdoppeln, während der Konsum von Zucker und rotem Fleisch hingegen halbiert werden sollte. Die tatsächliche Menge für jedes Land ergibt sich jedoch aus den geografischen, demografischen und kulturellen Gegebenheiten. Während in einigen Regionen so beispielsweise viele pflanzliche Lebensmittel angebaut werden können, bieten andere weniger Anbaumöglichkeiten und müssen daher auf alternative Nährstofflieferanten setzen. Neben der Region, bietet jedoch auch jedes Individuum einen limitierenden Faktor für die Planetary Health Diet, da zum Beispiel unterschiedliche Tätigkeiten, Geschlechter und Altersstufen verschiedene Mengen an Kalorien, Vitaminen und Mineralstoffen erfordern. Des Weiteren sorgen individuelle und kulturelle Kosten ebenso wie die unpraktischen Mengenangaben von beispielsweise 14 g Rindfleisch am Tag für erheblichen Aufwand, will man den Empfehlungen gerecht werden.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Sowohl DGE-Empfehlungen als auch Planetary Health Diet stimmen weitestgehend überein: Beide umfassen eine flexible, anpassbare Ernährungsweise, die auf Pflanzen, Vollkornprodukten und Ölen mit ungesättigten Fettsäuren basieren, während ein geringerer Verzehr von tierischen und hoch verarbeiteten Lebensmitteln, gesättigten Fettsäuren und Zucker verlangt wird. Unterschiede ergeben sich lediglich in der Kategorisierung: So bilden Nudeln, Reis und Kartoffeln bei der DGE eine Lebensmittelgruppe zur Stärkebeigabe, während die Planetary Health Diet Nudeln und Reis in Vollkornprodukte eingliedert und Kartoffeln als eigene Kategorie definiert. Ebenso unterscheidet die Planetary Health Diet zwischen Nüssen und Hülsenfrüchten und fasst Milch und Milchprodukte als Milchäquivalente zusammen. Daraus resultiert eine unterschiedliche Empfehlungsmenge. Während die Planetary Health 500 g Milchäquivalente am Tag empfiehlt, liegen die Orientierungswerte der DGE nach Umrechnung mit 596-728g/Tag deutlich höher, was vor allem angesichts des hohen Bedarfs an Calcium für Kinder und Jugendliche kritisch zu beäugen ist. Ebenso werden mit einer empfohlenen Menge von 2.500 kcal deutlich mehr Kalorien vonseiten der Planetary Health Diet veranschlagt als von der DGE, die von 1.600-2.400 kcal als Tagesbedarf ausgeht. Die unterschiedlichen Einordnungen sind durch die unterschiedlichen Schwerpunkte und Differenzierungen zu erklären, da die Planetary Health Diet verstärkt auf ökologische Nachhaltigkeit achtet, während die DGE eine ausreichende Nährstoffversorgung differenziert nach Altersgruppen und Geschlechtern zum Ziel hat.

Grafik zur Lebensmittelzufuhr nach Gewicht je Kategorie und Tag

Praktische Umsetzung

Die Nationale Verzehrsstudie zeigt deutlich, dass für eine Entsprechung der Empfehlungen eine umfassende Änderung der Essgewohnheiten in Deutschland notwendig wären. Die Zufuhr von Gemüse, Fisch, Hülsenfrüchten und Öl liegt deutlich unter den DGE-Empfehlungen und den Referenzwerten der Planetary Health Diet. Die Zufuhr von Obst sowie Milch und Milchprodukten liegt zwar in der angegebenen Spanne der Planetary Health Diet, jedoch unter den Empfehlungen der DGE. Weit über den Werten beider Ernährungsempfehlungen liegt allerdings Fleisch und Zucker. Insgesamt kann die Zufuhr von gesundheitsfördernden Lebensmitteln als zu niedrig und die Menge an gesundheitlich nachteiligeren Lebensmitteln als zu hoch eingestuft werden. Die Planetary Health Diet empfiehlt hierbei einen Anteil pflanzenbasierter Lebensmittel von 68 – 74 Gew%, wobei Deutschland je nach Bundesland einen Wert von 70 – 74 Gew% erzielt. Dennoch würde für den deutschen Verzehr pflanzlicher Lebensmittel eine Verdopplung der hierfür genutzten landwirtschaftlichen Flächen benötigt werden, wohingegen tierische Lebensmittel in den aktuellen Verzehrsmengen vollumfänglich in Deutschland erzeugt werden können und eine regional verfügbare und hochwertige Quelle für Eiweiß, Energie und Mikronährstoffe bieten.

Welche Änderungen wären nötig, um der Planetary Health Diet zu entsprechen?


Um die Nachhaltigkeits- und Gesundheitsanforderungen der Planetary Health Diet umzusetzen, müsste der Verzehr von Hülsenfrüchten etwa 20-fach ansteigen, da diese ohne Verluste durch Energiekonversion zur Ernährung beitragen. Zusätzlich dazu wäre eine Vergrößerung der Ackerflächen unabdinglich, wodurch wiederum Austauscheffekte in den Anbauflächen ermöglicht würden, welche in ca. 1 Mio. Tonnen für Nahrungszwecke resultieren. Bereits mit 10 % mehr Ackerflächen würde der derzeitige Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland von 1-2 kg auf bis zu 12 kg abgedeckt werden, auch wenn dieser perspektivische Verbrauch noch immer weit unter der Empfehlung von 27kg pro Kopf liegt. Ebenso müsste der jährliche Verzehr von Nüssen von 1kg auf 18kg ansteigen. Dementsprechend bedarf es in den meisten Ländern einer radikalen Veränderung, um den Vorgaben zu entsprechen. Dazu bräuchte es laut dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) außerdem ökonomische Veränderungen, damit sich Menschen länderübergreifend den planetaren Speiseplan auch leisten könnten sowie laut EAT eine nachhaltigere Lebensmittelproduktion und stärkere Vermeidung von Lebensmittelverschwendung entlang der Wertschöpfungskette.