Faktenübersicht
Fleischalternativen aus Pilzkulturen
Die Studie im Überblick:
Potsdam-Instituts für Klimafolgenschätzung (PIK): „Projected environmental benefits of replacing beef with microbial protein“
Short-Facts:
- Der Ersatz von einem Fünftel Rindfleisch (Pro-Kopf-Konsum) durch Fleischersatz aus Mykoprotein bis 2050, könnte die weltweite Entwaldung halbieren.
- Mykoprotein bietet im Vergleich zu anderen pflanzenbasierten Fleischalternativen eine Entkopplung von der landwirtschaftlichen Produktion.
- Eine ganzheitliche grüne Biotechnologie braucht auch grüne Energiequellen.
Hintergrund
© George Barron
Die Land- und Forstwirtschaft sowie andere Formen der Landnutzung spielen eine bedeutende Rolle im Klimawandel: Demnach sind nahezu 23 Prozent der anthropogenen Treibhausgasemissionen auf das menschliche Handeln zurückzuführen (IPCC 2022). Tierische Lebensmittel, im Besonderen Rindfleisch, verursachen in der Erzeugung und Produktion im Vergleich zu pflanzlichen Lebensmitteln größere Umweltauswirkungen – Dazu zählen Entwaldung, Treibhausgasemissionen, Eutrophierung und Wasserverbrauch. Entscheidend für die genannten Umwelteffekte ist generell jedoch die konsumierte Menge der Lebensmittel, nicht allein die Umweltwirkung pro Funktionseinheit (z.B. kg). Neben der Ernährungsumstellung hin zu einer pflanzlicheren Ernährungsweise (EAT-Lancet-Kommission 2019) werden zunehmend pflanzliche Fleischersatzprodukte, z.B. kultiviertes Fleisch oder auch aus der Fermentation gewonnenes mikrobielles Protein als Mittel zu Verringerung der Umwelteffekte tierischer Nahrungsmittelproduktion diskutiert.
Ergebnisse
Ökobilanzstudien, oder auch Life Cycle Assessments – kurz LCA, ergaben in der Vergangenheit erhebliche Umweltvorteile von Mykoprotein im Vergleich zu Rindfleisch. Das Mykoprotein wurde dabei in Bioreaktoren mit Zucker als Substrat hergestellt. Vor diesem Hintergrund hat das Potsdam-Institut für Klimafolgenschätzung (PIK) eine Analyse von Mykoprotein als Ersatz von Rindfleisch in einem zukunftsgerichteten globalen Landnutzungsszenario veröffentlicht. Die Szenarien reichen bis zum Jahr 2050 und berücksichtigen das künftige Bevölkerungswachstum, die Nahrungsmittelnachfrage, die Ernährungsgewohnheiten und die Dynamiken der Landnutzung und der Landwirtschaft. Dabei nehmen die Forschenden an, dass die wachsende Weltbevölkerung auch mit einer steigenden Fleischproduktion und -nachfrage einhergehen wird. Die Potsdamer Modellprojektionen zeigen, dass die Substitution von einem Fünftel (20 %) des Pro-Kopf-Konsums an Rindfleisch durch Mykoprotein weltweit bis 2050 die jährliche Entwaldung halbieren könnte. Die Modellierung zeigt aber auch, dass ein weiterer Ersatz von Rindfleisch durch Mykoprotein nicht zu einer Zunahme der reduzierten Entwaldung und der damit verbundenen CO2 Emissionen führt – Ein Effekt, der mit den bisherigen Methoden der Ökobilanzierung nicht erfasst wurde.
Wissenschaftliche Einordnung
Proteine: Pilz statt Muskelfleisch?
Die biologische Fermentation wird seit 1980 in industriellem Maßstab zur Herstellung von Mykoprotein eingesetzt. Mykoprotein ist mikrobielle Biomasse mit fleischähnlicher Textur und hohem Proteingehalt. Die Proteinqualität von Mykoprotein, gemessen am Gehalt an essenziellen Aminosäuren und der Verdaulichkeit, entspricht der von Rindfleisch. Darüber hinaus wird Mykoprotein seit 2002 von der US-amerikanischen Food and Drug Administration allgemein als sicher anerkannt. Trotzdem betont das PIK in seiner Studie, dass die theoretische Substitution von Rindfleisch durch Mykoprotein eine grundlegende Verhaltensänderung auf globaler Ebene bedeuten würde und sich trotz der Produktähnlichkeit und -sicherheit die Frage stellt, wie eine solche Änderung im Verhalten initiiert werden könne. Denn, vor allem das sensorische Erlebnis, der Geschmack und der traditionelle Wert stehen beim Fleischverzehr an oberster Stelle und hindern bislang eine langfristige Fleischsubstitution durch pflanzliche Eiweißquellen.
Eine Alternative zur Alternative: Pilzprotein statt pflanzenbasierter Fleischersatz?
Im Gegensatz zu pflanzlichen Fleischalternativen aus beispielsweise Soja- oder Erbsenprotein, welche immer noch von der Landwirtschaft abhängig sind, wird Mykoprotein aus Pilzmyzelen gewonnen, die in beheizten Bioreaktoren unter Verwendung von Zucker als Substrat kultiviert werden. Der Fermentationsprozess entkoppelt die Produktion von Mykoprotein weitgehend von der landwirtschaftlichen Produktion, was aus Gründen des Klimawandels besonders wichtig sein könnte. Allerdings werden für den Zuckeranbau weiterhin Landflächen benötigt – somit trägt die Fleischalternative indirekt doch zum Verbrauch von Ackerflächen und Wasser bei und hängen von der verfügbaren Anbaufläche für Zuckerpflanzen ab. Alternative Produktionsverfahren von Mykoprotein wie etwa durch Bakterien, die statt Zucker als Energiequelle Methan oder Essigsäure verwerten, befinden sich derzeit in der Entwicklungsphase.
Vorteile beim Landverbrauch, Nachteile beim Energieverbrauch?
Neben den unvorhersehbaren Kosten für die Nährmedien stellt sich auch die Frage, inwiefern ein solches Produktionsverfahren den Energiebedarf und die energiebedingten Treibhausgasemissionen der konventionellen Fleischproduktion übersteigen könnte. Bei einer ganzheitlichen Umstellung auf Bioreaktoren ist die Energieversorgung des Produktionsprozesses nur dann sinnvoll für den Klimaschutz, wenn die Energie aus erneuerbaren Ressourcen stammt. Andernfalls könnte das CO2-Äquivalent von Mykoprotein wegen des hohen Energieverbrauchs die anderen Umweltvorteile aufwiegen. Definitive Aussagen zu Umweltauswirkungen sind derzeit nur schwer zu treffen, da bislang nur theoretische Annahmen zu Ökobilanzen vorliegen. Da sich der Anwendungsbereich dieser Studie auf die Landwirtschaft und die Landnutzung beschränkt, wurden die Energieeinflussfaktoren nicht weiter berücksichtigt. Dennoch kann, ähnlich zu In-vitro-Fleisch, allgemein angenommen werden, dass der Wasser- und Landverbrauch, besser als bei konventionellem Fleisch abschneidet, der Energieverbrauch im Vergleich allerdings schlechter.
Im Vergleich zu Schweine- und Hühnerfleisch sind keine Umweltvorteile zu erwarten
Die Umweltvorteile von Mykoprotein wurden im Rahmen von Ökobilanzstudien analysiert. Dabei wurde festgestellt, dass für jede Einheit Rindfleisch, die durch Mykoprotein ersetzt wird, wesentlich weniger Treibhausgasemissionen (ca. 80 %), Wasserverbrauch (> 90 %) und Landverbrauch (> 90 %) anfallen. Die bisherigen Ökobilanzstudien deuten jedoch auch darauf hin, dass der Ersatz anderer tierischer Erzeugnisse wie Schweine- und Hühnerfleisch durch Mykoprotein keine wesentlichen Umweltvorteile mit sich bringen würde.