Nudging
Ernährungs- und Gesundheitsnudges – Ein Update
© KErn/Mühl
Jeden Tag treffen wir tausende von Entscheidungen, viele davon unbewusst – auch in Bezug auf unser Ernährungsverhalten. Sogenannte Nudges können dabei helfen, im Supermarkt oder in der Kantine die gesündere Wahl zu treffen – ganz ohne Verbote oder Einschränkungen. Das KErn beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dieser Methodik. In unserem Update erfahren Sie alle Neuigkeiten zum Thema.
Nudging (engl.: Anstupsen, Anregen) bezeichnet das Setzen von Anreizen in um das Handeln von Menschen in eine bestimmte Richtung zu lenken. Nudges sind somit eine bewusste oder unbewusste Entscheidungshilfe. Richtig eingesetzt ist Nudging ein wirkvolles Instrument, um einen gesunden und nachhaltigen Lebensstil zu fördern.
Zu den Nudges gehören beispielsweise:
- die Anordnung der Speisen in der Kantine oder im Supermarkt,
- die attraktive Gestaltung des Treppenhauses oder
- Hinweisschilder auf dem Boden.
Außerdem kann es sich um eine Vereinfachung oder Reduktion von Entscheidungen handeln, z. B. wenn:
- im Restaurant der Salat die Standard-Beilage ist oder
- in der Büroküche eine Schale mit Obst statt mit Süßigkeiten steht.
Auch wenn es sich beim Nudging um eine Methode handelt, die vor allem in der Gemeinschaftsverpflegung und dem Einzelhandel eingesetzt wird, kann auch jeder Einzelne im privaten Alltag davon profitieren.
Das „Self-Nudging“ beschreibt Maßnahmen, die Einzelpersonen durchführen können, um die Selbstkontrolle zu stärken. Das sind beispielsweise Hinweise wie die Sportkleidung neben dem Bett, – oder Tricks, die unerwünschtes Verhalten erschweren beziehungsweise Erwünschtes erleichtern. Die Benachrichtigungen auf Social Media ausschalten, Obst und Gemüse griffbereit zurechtlegen und die Süßigkeiten nicht im Wohnraum aufbewahren: Das kann schon kleine Unterschiede im Alltag machen.
Nudging kann dabei helfen, zwanglos, mit wenig Aufwand und ohne Zusatzkosten wünschenswerte Verhaltensweisen zu fördern. Die Maßnahmen können direkt an der Person umgesetzt werden welche dabei ihre volle Entscheidungsfreiheit behält. Anwendbar sind solche „Stupser“ im Bereich Ernährung, Bewegung oder im Kontext vieler anderer gesundheitsbetreffender Verhaltensweisen.
Projekte des KErn im Bereich „Nudging“
Smarter Lunchrooms
Smarter-Lunchroom-Maßnahme: Obstschalen an der Kasse VOR den Süßigkeiten, © Wolfgang Pulfer
Smart Moving – Nudging zur Förderung von Bewegung im Studienalltag
Flüsterleise Laufbänder, die durch Schritte betrieben werden, © KErn
Das Projekt zeigte, dass niederschwellige Methoden wie das Nudging vor allem in Kombination mit Information und Sensibilisierung ein erfolgsversprechender Schritt zu mehr Bewegung im Alltag sein kann. Auch aus diesem Projekt ist ein praktischer Handlungsleitfaden mit Praxisbeispielen entstanden.
Studie: „Gesundheits-Nudges“ in der Ernährung
© KErn
Das Ergebnis: Die Mehrheit der befragten Personen zeigte sich offen gegenüber dem Thema und begrüßt die Tatsache, dass es sich nicht um Verbote handelt. Die Entscheidungsunterstützung wird als positiv wahrgenommen, da die Wahlfreiheit bestehen bleibt. Vor allem in den Bereichen Ernährung, Bewegung und Umweltbewusstsein reagierten die Befragten positiv auf Nudges, wie etwa frei verfügbare Wasserspender oder das Angebot wiederverwertbarer Einkaufstüten im Supermarkt. Die Studie ist so konzipiert, dass sie leicht verständlich, aber fundiert über das Thema Nudging informiert, um eine gute Entscheidungsgrundlage zu bieten.
Aktuelle Forschungsergebnisse
Aufkleber auf Treppenstufen © KErn
Dennoch erzielen nicht immer alle Nudges positive Ergebnisse – wie beispielsweise das Pilotprojekt „Marburg. Geht doch!“. Dieses untersuchte eine plakatbezogene Intervention, um das Treppennutzungsverhalten zu überprüfen (Boyde et al., 2023).
Insgesamt zeigt sich jedoch, dass eine Vielzahl von Nudgingmethoden eine positive Veränderung des Gesundheitsverhaltens erzielen kann. Besonders effektiv scheinen Defaults – Veränderungen von Voreinstellungen – und die Veränderung der Umgebung zu sein. Die reine Information ist hingegen weniger effektiv (Stopper, 2022). Einfache Maßnahmen, wie beispielweise eine farbliche Kennzeichnung von Lebensmitteln, eine attraktivere Gestaltung der Salattheke oder die Auslobung des vegetarischen Angebots, können gesundheitsförderliche Entscheidungen bezüglich des Essverhaltens fördern. Nudging zeigt großes Potenzial als Interventionsansatz, der andere Maßnahmen zur Modifikation des Ernährungsverhaltens ergänzt. Vorteilhaft ist, dass schon einfache, kostengünstige Veränderungen, z. B. in Kantinen, eine große Anzahl an Personen erreichen können (Spitznagel et al., 2018).
Im Bereich der Seniorenverpflegung ist das erfolgreiche Projekt „Nudging – gesundheitsförderliche Ernährung in Pflegeeinrichtungen“ anzuführen: Ziel war hier die Verbesserung der Ernährungssituation in Senioreneinrichtungen durch einen erhöhten Obst-, Gemüse- und Wasserkonsum. Als Nudges dienten dabei verkürzte Laufwege, erreichbar platzierte und ansprechend präsentierte Snacks und Getränke sowie verschiedene Bilder (Vernetzungsstelle Seniorenernährung Saarland). Auch in Kindertagesstätten können Nudges die Akzeptanz und die aufgenommene Menge an gesundheitsförderlichen Lebensmitteln beeinflussen (Fromm et al., 2023).
Wie geht es weiter?
Weitere Materialien zum Thema Nudging
- Studie „Gesundheits-Nudges in der Ernährung“
- Nudging - leicht gemacht. Praktische Handlungsempfehlungen für die Schulmensa
- Nudging - leicht gemacht. Praktische Handlungsempfehlungen für die Hochschulgastronomie
- Impulse für die Essenswahl. Handlungsempfehlungen für die Betriebsgastronomie
- Mehr Bewegung und weniger Sitzen im Hochschulalltag
Denken Sie zum Beispiel an den „Smiley“ im Straßenverkehr, der ein lachendes Gesicht zeigt, wenn man sich an die erlaubte Geschwindigkeit hält. Das weckt unbemerkt positive Gefühle. Diesen Zustand möchten Menschen erreichen. Daher strengen sie sich eher an, einen Smiley zu ergattern, indem sie sich an die erlaubte Geschwindigkeit halten.
In der Gemeinschaftsverpflegung lassen sich beispielweise die Eigenschaften oder die Platzierung von Speisen und Getränken so gestalten, dass Ihre Essensgäste ohne langes Nachdenken eher zu gesundheitsförderlichen, regionalen und nachhaltigen Lebensmitteln greifen: Positionieren Sie z.B. die Gemüsebeilagen am Anfang der Essenstheke oder heben Sie Obstdesserts optisch hervor. Ziel dabei ist immer, das Verhalten bei der Speisenauswahl und damit das Ernährungsverhalten zu verbessern.
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Ein Beispiel aus dem Bereich Alltagsbewegung ist die Treppe. Die Stufen einer öffentlichen Treppe sind wie ein Klavier beklebt. Jeder Schritt auf ihnen erzeugt einen Ton. Plötzlich benutzen immer mehr Menschen die Treppe anstatt der Rolltreppe daneben. Das ist ein Beispiel für einen „Nudge“.
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Fleyder A, Walden M, Mayländer S, Kaeding TS. Die Wirksamkeit von Nudges zur Förderung von gesunden Entscheidungen am Arbeitsplatz: Eine systematische Literaturrecherche. Prävention und Rehabilitation. 2023; 35: 54-66. DOI 10.5414/PRX0058
Franchini C, Bartolotto C, Scazzina F, Carpenter CL, Slusser W. Increasing the Consumption of Environmentally Friendly Foods in a University Dining Hall Using Menu Item Placement. Nutrients. 2023 Sep 6;15(18):3873. doi: 10.3390/nu15183873. PMID: 37764657; PMCID: PMC10537694.
Fromm J-A, Winkler G, Maier-Nöth A, Warschburger P, Klingshirn A: Nudging in daycare catering. An overview of interventions to promote healthy eating. Ernahrungs Umschau 2023; 70(8): 94–101.
Meeusen REH, van der Voorn B, Berk KA. Nudging strategies to improve food choices of healthcare workers in the workplace cafeteria: A pragmatic field study. Clin Nutr ESPEN. 2023 Feb;53:126-133. doi: 10.1016/j.clnesp.2022.11.022. Epub 2022 Dec 9. PMID: 36657903.
Valenčič E, Beckett E, Collins CE, Koroušić Seljak B, Bucher T. Changing the default order of food items in an online grocery store may nudge healthier food choices. Appetite. 2024 Jan 1;192:107072. doi: 10.1016/j.appet.2023.107072. Epub 2023 Oct 4. PMID: 37797817.
Boyde I, Ewert B, Dadaczynski K. Können plakatbezogene Nudges zum Treppensteigen animieren?. Präv Gesundheitsf. 2023. Doi: https://doi.org/10.1007/s11553-023-01042-7
Hoffmann A. Stupser oder Selbstbefähigung? - Eine Studie zur Wirksamkeit von Nudging, Boosting und Empowerment in der Gesundheitsvorsorge. Corporate Communications Journal. 2022. doi: https://doi.org/10.48769/opus-3099
Krisam M, Maier M, Krisam J. #treppegehtimmer: die effektive und niedrigschwellige Möglichkeit zur Steigerung körperlicher Aktivität im Alltag. Prävention und Gesundheitsförderung. 2020; 16: 282-289. doi: 10.1007/s11553-020-00810-z
Stopper T. Nudging als Instrument zur Förderung nachhaltigen Konsums – eine konzeptionelle Analyse unter besonderer Berücksichtigung der empirischen Literatur. Junior Management Science. 2020; 7(1): 201–217. doi: https://doi.org/10.5282/jums/v7i1pp201-217
Spitznagel S, Lindner Y, Zimmermann T, Filipiak B, Winkler G. Nudging in der Speisenausgabe-stelle des Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes der Bundeswehr München: Lässt sich eine „Healthy Choice“ fördern?. Wehrmedizinische Monatsschrift. 2018; 62(8). ISSN 0043 - 2156
Villinger K, Wahl D, Engel K. Nudging sugar portions: a real-world experiment. BMC Nutr. 2021; 65(7). doi: https://doi.org/10.1186/s40795-021-00473-9
Land Saarland - Ministerium für Umwelt, Klima, Mobilität, Agrar und Verbraucherschutz. Projekt »Nudging – gesundheitsförderliche Ernährung in Pflegeeinrichtungen«. https://www.saarland.de/ mukmav/DE/portale/ernaehrung/informationen/vernetzungsstelleseniorenernaehrung/nudging-pflegeeinrichtungen/nudging-pflegeeinrichtungen.html