Kinderlebensmittel im Fokus
© AdobeStock/Tijana
Seit vielen Jahren gibt es ein breites Angebot an sogenannten Kinderlebensmitteln. Sie fallen durch ihre kindgerechte, bunte Gestaltung, die Beigabe von Sammelbildern oder kleinem Spielzeug in den Produktregalen auf. Meist sind sie mit Nährstoffen angereichert oder loben den Verzicht auf bestimmte Zutaten oder Zusatzstoffe aus. Damit suggerieren sie, dass sie besonders auf die ernährungsphysiologischen Bedürfnisse der Kinder zugeschnitten sind. Verpflichtende Anforderungen an die Zusammensetzung von Kinderlebensmitteln gibt es bisher nicht. Die Nährwertprofile der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für speziell für Kinder ausgelobte Produkte haben lediglich empfehlenden Charakter.
Für Kinderlebensmittel gibt es keine rechtlich verbindliche Definition. Sie unterliegen deshalb dem allgemeinen Lebensmittelrecht. Laut dem Max-Rubner-Institut (MRI), dem Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel, handelt es sich um ein Kinderlebensmittel, sofern eines der folgenden Kriterien zutrifft:
- Der Produktname „Kind/er“ bzw. „Kids“ oder Kinder ansprechende Produktnamen wie „Schoko Bären“,
- Kinder ansprechende optische Gestaltung der Verpackung (z. B. Aufdruck von lachenden Tieren, Comicfiguren),
- Kinder ansprechende optische Gestaltung des Produkts bzw. einzelner Zutaten (z. B. Cerealien in Form von Bären, Buchstaben),
- an Kinder oder Eltern gerichtete Produktbezeichnung auf den Produktverpackungen (z. B. „Für Ihre Kleinen“, Hinweis auf z. B. Kinderspiele, Lerneffekte oder Beigaben wie Sammelbilder).
Ein Untersuchungsschwerpunkt des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Bayern lag 2019 auf der Produktgruppe der Kinderlebensmittel. Untersucht wurden 263 Kinderlebensmittel aus acht verschiedenen Produktgruppen. Dabei wurde überprüft, ob die angegebenen Nährwerte mit den tatsächlich enthaltenen übereinstimmen und ob Unterschiede im Nährwertgehalt zu Produkten bestehen, die sich nicht explizit an Kinder richten. Außerdem prüfte das LGL, ob die gesundheitsbezogenen Aussagen auf der Verpackung über die Health-Claims-Verordnung zugelassen sind. Derzeit sind 12 Kinder-Claims zugelassen.
Abhängig vom jeweiligen Lebensmittel bezog sich das Untersuchungsspektrum auf die enthaltene Menge an Zucker, Fett und Salz. Die ermittelten Gehalte an Zucker, Fett und Salz stimmten weitgehend mit den deklarierten Werten überein. Auffallend waren die zum Teil großen Unterschiede innerhalb der einzelnen Produktgruppen. Bei der Produktgruppe Kindermüsli und Frühstückscerealien für Kinder wiesen beispielsweise die Produkte eine große Schwankungsbreite im Zuckergehalt auf, von 1g/100g bis zu 29g/100g. Bemerkenswert ist auch, dass sie sich in der Zusammensetzung im Durchschnitt nicht von den Produkten unterscheiden, die sich an alle Bevölkerungsgruppen richten. Im Schnitt enthalten sie vergleichbare Zucker-, Fett- und Kochsalzgehalte.
Viele Kinderlebensmittel sind mit Nährstoffen angereichert, meist mit Eisen, Calcium, Vitamin D, Vitamin E und B-Vitaminen. Überwiegend stimmten die deklarierten Angaben mit den tatsächlich enthaltenen Mengen überein. Es gab jedoch bei einzelnen Produkten auch deutliche Abweichungen nach oben und nach unten. Einige Wurstproben wiesen gesundheitsbezogene Angaben auf, die nicht als Kinder-Claims zugelassen sind und deshalb vom LGL beanstandet wurden. Dies waren Auslobungen wie „tragen zu einer normalen geistigen Leistung bei“ oder „tragen zur Verringerung von Müdigkeit bei“ oder „tragen zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei“.
In seinem Fazit betonte das LGL, dass zusätzliche Informationen und Hinweise zum sinnvollen Umgang mit den Produkten und zu Verzehrmengen für Eltern wünschenswert seien.
Die WHO hat 2015 Anforderungen an ernährungsphysiologisch ausgewogene Lebensmittel erstellt. Sie empfiehlt eine Bewerbung von Lebensmittel, die sich explizit an Kinder richtet, nur, wenn die Hersteller sich an diesem Nährwertprofil orientieren. Dabei spielen die Anteile von Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz, aber auch der Kaloriengehalt und zugefügte Süßstoffe bzw. Zuckeraustauschstoffe eine Rolle.
Kinderlebensmittel weisen oft eine ernährungsphysiologisch ungünstige Nährwertzusammensetzung auf. Das Produktmonitoring des Max-Rubner-Institutes (MRI) von 2018 bis 2019 ergab, dass in allen untersuchten Kategorien der durchschnittliche Energie- und Zuckergehalt von Produkten in Kinderoptik die Grenzwerte des Nährwertprofilmodells der WHO überschreitet.
Beispielsweise empfiehlt die WHO für Joghurt- und Quarkzubereitungen einen Gesamtzuckergehalt von maximal 10g/100g. Der Zuckergehalt von Kinder-Joghurts liegt im Durchschnitt jedoch bei 14g/100g, bei besonders umsatzstarken Produkten bei 18g/100g. Bei den Kinder-Frühstückscerealien liegt der Zuckergehalt im Schnitt über dem empfohlenen WHO-Wert von 15g/100g. Lediglich bei Quarkerzeugnissen für Kinder liegt der mittlere Zuckergehalt mit 11g/100g nahe dem Grenzwert von 10g/100g.
Gekühlte Desserts für Kinder, die das MRI 2016 erfasst hatte (aber nicht in der Folgeerhebung 2018/2019), wiesen einen durchschnittlichen Fettgehalt von 6g/100g auf. Der WHO-Grenzwert liegt bei 2,5g/100g.
Detaillierte Angaben zum Zuckergehalt von Frühstückscerealien liefert auch eine Untersuchung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) und des AOK-Bundesverbandes von 2020 zur Produktgruppe Kinderfrühstückscerealien. Demnach wird von 99 Prozent der angebotenen Kinderfrühstückscerealien der WHO-Grenzwert für Zucker überschritten, bei den nicht explizit an Kinder gerichteten Produkten waren es 63 Prozent. Erfasst wurden rund 1.400 Cerealienprodukte.
Diese Gehalte an Zucker und Fett sind umso bemerkenswerter, als es seit 2019 die Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie der Bundesregierung gibt. Danach sind Lebensmittelhersteller angehalten, ihre Rezepturen zu überarbeiten und weniger Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten einzusetzen.
Das Forschungsdepartment Kinderernährung (FKE) weist in seinen Veröffentlichungen darauf hin, dass Kinder für eine ausgewogene Ernährung keine speziellen Kinderlebensmittel brauchen.
© KErn
Das hellgrüne „B“ des Nutri-Scores steht für einen günstigen Nährwert des Produktes.
Informationen zum Nährwert sind der Verpackung von Lebensmitteln zu entnehmen. Neben den verpflichtenden Angaben wie Zutatenverzeichnis und Nährwerttabelle gibt es seit 2020 auf freiwilliger Basis das Nährwert-Logo Nutri-Score. Es bietet eine schnelle Orientierung, wenn es darum geht, Produkte innerhalb einer Kategorie zu vergleichen, zum Beispiel verschiedene Frühstückscerealien. Der Nutri-Score besteht aus einer fünfstufigen Farbskala mit Buchstaben „A“ bis „E“, dabei steht „A“ in Dunkelgrün für die günstigste und „E“ in Rot für die ungünstigste Nährwertbilanz.
In die Bewertung einbezogen werden sowohl problematische Bestandteile wie gesättigte Fettsäuren, Zucker, Salz und der Energiegehalt als auch günstige Inhaltsstoffe wie Ballaststoffe, Protein, Obst, Gemüse und Nüsse. Für die verschiedenen Inhaltstoffe gibt es gewichtete Plus- und Minuspunkte, die eine Gesamtpunktzahl ergeben. Die errechnete Punktzahl wird dann in einen farblich unterlegten Buchstaben übersetzt.
Mit Kindermarketing wird Werbung bezeichnet, die sich speziell an Kinder richtet. Video-Clips, comic-Figuren, Gewinnspiele, dazu die Du-Form, das zieht Mädchen und Jungen an. Ein Kind in Deutschland, das Medien nutzt, sieht durchschnittlich pro Tag 15 Werbespots oder -anzeigen für ungesunde Lebensmittel. Davon entfallen fünf auf das Internet und zehn auf das Fernsehen. Zugleich ist die Zahl der TV-Spots pro Stunde um 29 Prozent gestiegen, das heißt, Kinder werden gezielter als früher von der Lebensmittelindustrie angesprochen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Wirtschaftswissenschaftlers Dr. Tobias Effertz von 2021, basierend auf Daten vor der Corona-Krise. Die WHO empfiehlt ein Werbeverbot für Kinderlebensmittel. Einige europäische Länder wie Großbritannien, Irland und skandinavische Länder haben dies bereits umgesetzt.
Junge Familien bei der Umsetzung eines gesundheitsförderlichen Lebensstils mit einer ausgewogenen Ernährung und regelmäßiger Bewegung zu unterstützen, ist das zentrale Anliegen des Netzwerkes Junge Eltern/Familien des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Für junge Eltern und Familien bieten 32 Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Aktionstage und Kurse rund um die Ernährung und Bewegung von Säuglingen und Kleinkindern an. Ziel des Netzwerkes "Familien mit Kindern von 3 bis 6 Jahren" ist es, einen gesundheitsförderlichen Lebensstil mit altersgerechter Ernährung und Bewegung im Kindergartenalter zu verankern.
- AOK-Bundesverband (2020): Cerealienstudie, (Zugriff am 25.10.2021)
- Jahresbericht des BayerischenLandesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit 2019/2020, (Zugriff am 25.10.2021)
- Max-Rubner-Institut (2019): Ergebnisbericht: Produktmonitoring 2019, (Zugriff am 25.10.2021)
- Effertz, T. (2021): Kindermarketing für ungesunde Lebensmittel im Internet und TV, Projektbericht, (Zugriff am 25.10.2021)
- Weltgesundheitsorganisation (WHO), Nährwertprofile, siehe (Zugriff am 25.10.2021)
- Forschungsdepartment Kinderernährung (FKE)