Fact-Sheet: Alternative Proteinquellen – Eine Bestandsaufnahme

Short Facts

  • Zur Kategorie der alternativen Proteinquellen werden pflanzliche Quellen (Leguminosen, Getreide oder Ölsaaten), tierische Quellen (Insekten oder Zellkulturen) und weitere Proteinquellen (Mikro- und Makroalgen, Pilze, Bakterien und Hefen) gezählt.
  • Mit einer Rohstofferweiterung durch alternative Proteine soll ein nachhaltigeres Ernährungssystem etabliert werden, welches eine gesunde Ernährung für eine steigende Weltbevölkerung innerhalb der planetaren Grenzen möglicher macht.
  • Alternative Proteinquellen könnten je nach Zusammenstellung der gesamten Ernährungsweise sowohl negative als auch positive Folgen für die Nährstoffversorgung und Gesundheit haben – Bisher fehlt es an wissenschaftlicher Evidenz, die den Einfluss auf Gesundheit oder Krankheit abschließend einordnen könnte.
  • Alternative Proteinquellen könnten umweltfreundlicher sein als herkömmliches Fleisch – Bisher sind die Herstellungsprozesse teilweise aber zu energieintensiv.

Alternative Proteinquellen in Schüsseln


Hintergrund


Aktuell wird eine Vielzahl an alternativen Proteinquellen für die menschliche Ernährung diskutiert: Darunter fallen pflanzliche Proteinquellen wie etwa Leguminosen, Getreide oder Ölsaaten, tierische Proteinquellen wie beispielsweise Insekten, oder Einzeller und rekombinante Proteine hergestellt aus Mikro- und Makroalgen, Pilzen, Bakterien und Hefen. Hintergrund ist, dass die Lebensmittelindustrie angehalten ist, deutlich mehr Lebensmittel für eine wachsende Weltbevölkerung zu produzieren und gleichzeitig den ökologischen Fußabdruck der landwirtschaftlichen Systeme zu verringern. Laut MRI wird der globale Proteinbedarf gegenwärtig zu 57 % aus pflanzlichen, zu 18 % aus Fleischprodukten und zu 10 % aus Milcherzeugnissen gedeckt. Schätzungen zufolge wird die Weltbevölkerung bis 2050 auf 10 Mrd. Menschen anwachsen, und der Großteil davon wird in Entwicklungsländern leben. Zudem ist die relative Bedeutung der verschiedenen Proteinquellen regional verschieden: Während Fleisch und Fisch einen großen Teil der Proteinzufuhr in Lateinamerika, in der Karibik, China und Europa ausmachen, ist der Anteil in Indien und Subsahara-Afrika vergleichsweise gering. Vor diesem Hintergrund wird global gesehen ein Protein-Defizit vorausgesagt, welches mithilfe alternativer Proteinquellen gedeckt werden soll. An dieser Stelle müssen aber auch die Zugänglichkeit und die Erschwinglichkeit berücksichtigt werden, wenn alternative Proteine einen wesentlichen Teil der Lösung darstellen sollen.


Aktueller Sachstand

Pflanzenbasierte Ersatzprodukte

Pflanzliche Fleisch- und Milchalternativen sind seit vielen Jahren auf dem Markt verfügbar. Laut Verbraucherumfragen haben pflanzenbasierte Ersatzprodukte in letzter Zeit an Beliebtheit dazugewonnen – nicht zuletzt, weil immer mehr Diversität Eingang in das Lebensmittelsortiment findet. Neben Soja hat sich in der jüngsten Vergangenheit vor allem Erbsenprotein, aber auch Reisprotein und die Lupine als Innovationstreiber bemerkbar gemacht. Den Meinungsumfragen zufolge möchten sich immer mehr Menschen „gesund, klimafreundlich und nachhaltig“ ernähren und sind darüber hinaus dazu bereit vegan-vegetarische Ersatzprodukte auszuprobieren. Laut Ernährungsreport des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) 2020 haben bereits die Hälfte der Befragten (49 %) schon einmal vegane oder vegetarische Alternativen zu tierischen Produkten gekauft. Insgesamt sind die Beweggründe für den Konsum von Ersatzprodukten vielfältig: Am häufigsten geben die Befragten als Gründe den Tierschutz (48 %), das Klima (41 %) und die Gesundheit (37 %) für den Kauf an. In Deutschland sind die beliebtesten pflanzlichen Alternativen für tierische Produkte Fleisch- und Wurstersatzprodukte, Pflanzendrinks und vegane Süßigkeiten – dicht gefolgt von Fertigmahlzeiten.

Bloomberg Intelligence prognostiziert zum Beispiel, dass der globale Markt für pflanzliche Lebensmittel von 29,4 Milliarden Dollar im Jahr 2020 auf 162 Milliarden Dollar im Jahr 2030 an-wachsen wird. Diesem erfolgreichen Marktwachstum stehen jedoch verschiedene Hürden, ins-besondere technologische Herausforderungen bei der Nachahmung von Textur und Geschmack, des Nährstoffprofils und der Lebensmittelsicherheit, gegenüber.

Für die Produktion von pflanzlichen Fleischersatzprodukten ist häufig eine intensive industrielle Verarbeitung notwendig: Mithilfe der Trockenextrusion werden die Zutaten (Mischung aus Proteinen, Fett, Hydrokolloide, Salz und Wasser) zu sogenannten „Texturized Vegetable Protein – TVP“ verarbeitet, um eine gewisse Fleischbeschaffenheit nachzubilden. Um den Geschmack, die Farbe und das Mundgefühl von pflanzlichen Ersatzprodukten zu verbessern, werden verschiedene Zusatzstoffe wie geschmacksverstärkende Verbindungen, Pigmente und Fettsäuren verwendet. Obwohl Verbraucherinnen und Verbraucher diese Produkte häufig als „gesund“ einordnen, sind die Endprodukte weit von den gesunden Rohstoffen entfernt, aus denen sie hergestellt wurden. Vielmehr entsprechen pflanzliche Ersatzprodukte der Definition von ultraverarbeiteten Lebensmitteln (Ultra Processed Foods – UPFs) der Gruppe 4 des NOVA-Scores.

Ähnlich wie bei pflanzlichen Fleischalternativen kann ein deutlicher Anstieg bei Unternehmensgründungen beobachtet werden, die pflanzliche Milchalternativen auf den Markt bringen. Zu den derzeit erhältlichen Produkten gehören Milchersatzprodukte auf Mandel-, Kokosnuss-, Soja-, Reis- und Haferbasis. Diese Produkte werden von den Verbraucherinnen und Verbrauchern im Vergleich zu den sensorischen Eigenschaften von Kuhmilch nicht als ideal angesehen. Auch aus ernährungsphysiologischer Sicht stellt das Nährstoffprofil keine Alternative im Sinne eines Ersatzes von tierischer Milch dar.

Zelluläre Landwirtschaft

Unter zellulärer Landwirtschaft versteht man die Herstellung von landwirtschaftlichen Produkten wie Fleisch, Milch oder Eiern aus Zellkulturen. Das bekannteste Konzept der zellulären Landwirtschaft ist das in-vitro-Fleisch, welches derzeit hauptsächlich aus Kulturen von Rind, Schwein oder Huhn gewonnen wird. Die Herstellung von Fleischprodukten ohne Nutztiere hat in den letzten Jahren mit über 70 Unternehmen in diesem Bereich beträchtliche finanzielle Investitionen ausgelöst. Die Basistechnologie für die Zellkultivierung wurde von der biopharmazeutischen Industrie entwickelt und wird bereits seit langer Zeit für die Herstellung hochwertiger Produkte wie monoklonaler Antikörper und Impfstoffe verwendet. Im Jahr 2013 stellte der niederländische Wissenschaftler Mark Post den ersten Rindfleisch-Burger auf Zellkulturbasis her, der 330 000 US-Dollar kostete. 7 Jahre später wurde das erste kommerziell erhältliche Produkt in Singapur zugelassen: In einem Restaurant werden Chicken Nuggets zum Premiumpreis verkauft, die jedoch nur zu etwa einem Drittel aus Zellkulturfleisch bestehen.

Neben den immensen Herstellungskosten spielen technische Herausforderungen wie die Skalierung des Produktionsprozesses, die Optimierung serumfreier Kulturmedien, die strukturähnliche Herstellung verschiedener Fleischsorten sowie die Zugabe von Fett eine entscheidende Rolle, um in-vitro Fleisch in Zukunft als kommerzielle Lösung nutzbar machen zu können.

Experten aus dem Bereich Tissue Engineering bezweifeln, dass die bestehenden technologischen Herausforderungen in der nächsten Zeit oder auch zukünftig lösbar werden. Demgegenüber stehen optimistische Stimmen der Innovatoren und Investoren von in-vitro Fleisch, u.a. vertreten durch das der Tierrechts-/Tierschutzszene nachstehende Good Food Institute (GFI), das im Jahr 2020 in einem Bericht veröffentlichte, wie die Produktionskosten theoretisch um das 1000-fache gesenkt werden könnten. Ein Jahr später veröffentliche das GFI einen weiteren Bericht: Dort hieß es, dass der Bau einer Großanlage für zellbasiertes Fleisch rund 450 Mio. USD kosten würde. Die Produktionskosten müssten außerdem um das 1000- bis 10000-fache gesenkt werden, um mit konventionellem Hackfleisch konkurrenzfähig werden zu können. Unabhängige technoökonomische Analysen kamen zudem zu dem Ergebnis, dass eine sowohl die mengen- als auch preisbezogenen Prognosen nicht realistisch sind.

Allein diese Zahlen könnten den Optimismus für diese Technologie in Frage stellen. Zudem bezeichnen Verbraucher in-vitro Fleisch häufig als „unnatürlich“ und begegnen sogenannten Novel and Future Foods (NFFs) erstmal mit Ablehnung und weniger mit Neugier. Um diesem Konservatismus begegnen zu können, bedarf es Produkte mit konkreten Konsumvorteilen.

Insektenproteine

Rund 2 Mrd. Menschen in 130 Ländern essen regelmäßig Insekten – überwiegend in Afrika, Lateinamerika und Teilen Asiens. Bereits im Jahr 2013 hat die Welternährungsorganisation FAO dazu aufgerufen, mehr Insekten zu essen, auch in westlichen Ländern. Der Grund: Das Nährwertprofil von Insekten ist beeindruckend. Insekten enthalten viel Eiweiß, Omega-3-Fettsäuren, Kalzium, Eisen und Vitamin B12. Zudem können Insekten mit einem geringen Ressourcenverbrauch produziert werden.

Unternehmen wie Protix und Enterra produzieren über 6000 Tonnen Insekten pro Jahr – größtenteils für Tierfutter, insbesondere für Aquakulturen, Geflügel und Schweinefleisch. Häufig gezüchtete Insekten sind schwarze Soldatenfliegen, Mehlwürmer, Grillen und Heuschrecken.

Das erste in der EU zugelassene Produkt auf Insektenbasis für den menschlichen Verzehr (mit gelben Mehlwürmern) wurde im Mai 2021 erteilt. Die EU-Zulassung von ersten Insekten als Lebensmittel erhöht auch in Deutschland die Investitionen in die industrielle Produktion. Trotzdem bleiben Insekten für den menschlichen Verzehr aller Voraussicht nach ein Nischenprodukt. Das liegt vor allem daran, dass das Essen von Insekten in Europa häufig mit Ekel und Abneigung verbunden ist, da die Entomophagie kulturell nicht in der europäischen Diät verankert ist. Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Bereitschaft, Insekten zu essen größer ist, wenn diese verarbeitet und somit unsichtbar sind. Für isolierte Proteine, die aus industriell gezüchteten Insekten für die Herstellung von Lebens- und Futtermitteln gewonnen wurden, könnte also ein wachsender Markt bestehen. Neben dem Zulassungsverfahren stellen hierbei die Herstellungskosten, die Variabilität der Rohstoffe und die Konsistenz der Endprodukte die größten Herausforderungen dar.

Mikrobielles Protein

Mikrobielles Protein wird in speziellen Kulturen hergestellt, ähnlich wie Bier oder Brot. Die Technik basiert auf der jahrhundertealten Methode der Fermentation und wurde in den 1980er Jahren entwickelt und von der US-amerikanischen Lebensmittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) als sicher eingestuft. QuornTM ist wohl das bekannteste Beispiel für aus Mykoprotein (Pilzprotein) produzierte Lebensmittel. Das Produkt kam bereits 1985 in England auf den Markt, in Deutschland wurde es 2012 eingeführt. QuornTM Mykoprotein enthält etwa 15 Gramm Protein pro 100 Gramm, ist fettarm und reich an Ballaststoffen. Industriell werden die QuornTM-Produkte aus Myzel des Schimmelpilzes Fusarium venenatum in Bio-Tanks hergestellt. Das Herstellungsverfahren erfordert Zucker und eine konstante Temperatur. Nach der Fermentation wird das Myzel meist mit Eiklar und Kartoffelextrakten versetzt, um eine fleischartige Textur zu erreichen. Nach geschmacks- und texturverbessernden Prozessen (z. B. Gefrieren) kann eine Vielzahl von fleischähnlichen Produkten hergestellt werden. Derzeit sind die klassischen Fleischersatzprodukte wie Schnitzel, Hackfleisch oder Nuggets aus Mykoprotein im Handel erhältlich. Aktuell gibt es außerdem Bestrebungen, Mykoprotein als Zusatz in verarbeiteten Lebensmitteln zu verwenden. So gibt es etwa am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) Anstrengungen, Snackprodukte, Teigwaren, Getränke, faserreiche Snacks, vegane Salami und veganes Jerky sowie proteinreiche Cracker für die Sporternährung aus Pilzprotein zu entwickeln.

Die sensorischen Eigenschaften und das wettbewerbsfähige Nährwertprofil von Mykoproteinen haben sie zu einer der beliebtesten Fleischalternativen gemacht. Im Jahr 2015 belief sich die Mykoproteinproduktion auf 25.000 Tonnen Trockenmasse pro Jahr, mit einem weltweiten Marktwert von etwa 214 Millionen Euro, wobei die Produkte hauptsächlich in den USA und Europa vertrieben werden. Die Ausweitung auf andere Märkte wird entscheidend von der Senkung der Produktionskosten abhängen. Zwar handelt sich es bei den Rohstoffen für Fleischersatzprodukte auf Basis von Pilzen in der Regel um kohlenhydratreiche Medien, etwa aus Traubenzucker oder Malzextrakt, die weniger kostspielig sind als Rohstoffe für die klassische Fleischproduktion. Allerdings sind die Produktionskosten insgesamt und damit auch die Verkaufspreise momentan noch höher. Dies liegt einerseits daran, dass das Pilzgeflecht ein energieintensives Extrusionsverfahren durchlaufen muss, um die faserige Textur von Muskelfleisch zu erhalten. Andererseits ist auch die Fermentation mit einem hohen Steuer- und Regelbedarf und dadurch hohen Energieaufwand verbunden.

Eine weitere Möglichkeit, Mikroben für die Herstellung alternativer Proteine zu nutzen, ist die Produktion von Kasein und Milchprotein durch Bakterien und Hefen. Auch wenn es derzeit Start-ups in Deutschland und in den USA gibt, die an tierfreien Milchprodukten und Ei-Ersatz arbeiten, wurden bisher keine wissenschaftlichen Untersuchungen veröffentlicht, die den Ersatz von Molkereiprodukten durch Mykoprotein hinsichtlich der Textur, Inhaltsstoffen und anderer sensorischer oder ernährungsphysiologischer Eigenschaften untersucht haben.

Mikro- und Makroalgen

Algen könnten als nachwachsende Rohstoffe und Biomassequellen für die Bioökonomie großes Potential haben. Allein mit Licht, CO2 und wenigen Nährstoffen lassen sich zahlreiche wertgebene Inhaltsstoffe wie etwa Farbstoffe, Omega-3-Fettsäuren oder Proteine produzieren, die beispielsweise Anwendung in der Lebensmittel- oder Kosmetikindustrie finden könnten. Darüber hinaus stellen sie auch eine ideale Quelle für Biomasse dar, die sich als hochwertiges Futtermittel nutzen lässt. Vor diesem Hintergrund wird aktuell eine landwirtschaftliche Algenkultivierung diskutiert, um Landwirten zukünftig neue Geschäftsfelder zu eröffnen und zukunftsfähige Rahmenbedingungen für die Erzeugung von regional hochwertigen Produkten zu schaffen. Um dieses Potenzial für die Landwirtschaft erschließen zu können, bedarf es zukünftig je-doch weiteren Forschungs- und Förderbedarf, damit sich eine landwirtschaftliche Algenkultivierung ökonomisch lohnt und obendrein auch ökologisch sinnvoll ist.

Insgesamt haben Mikroalgen und Makroalgen ein hochwertiges Nährstoffprofil: Sie sind reich an Protein, enthalten Kohlenhydrate, Carotinoide, Vitamine, Mineralstoffe und lebenswichtige Fettsäuren. Makroalgen liefern darüber hinaus viele Ballaststoffe, darunter bioaktive Polysaccharide. Allerdings ist noch unklar, wie gut die bioaktiven Substanzen und die Proteine aus Algen vom Körper aufgenommen werden.


Wissenschaftliche Einordnung

Wie gesund und wie sicher sind die alternativen Proteine?

Als tatsächliche Alternative für Lebensmittel tierischer Herkunft müssen innovative Proteinprodukte einen vollständigen Nährwert haben und die langfristigen Ziele der öffentlichen Gesundheit unterstützen. Erste Studien weisen darauf hin, dass alternative Proteine eine hohe Wertigkeit aufweisen können, einige Produkte liefern zudem Ballaststoffe, wie etwa Mykoproteine oder pflanzliche Ersatzprodukte. Darüber hinaus erfordert der fast vollständige Verzicht auf tie-risches Eiweiß (z. B. bei einer veganen Ernährung) alternative Proteinquellen von erstklassiger Qualität sowie die Supplementierung einiger Mineralstoffe und Vitamine. In diesem Zusammenhang wurden in einer aktuellen Studie die ernährungsphysiologische Zusammensetzung einer im Handel erhältlichen pflanzlichen Fleischalternative, mit der von Fleisch aus Graslandwirtschaft hinsichtlich ihrer Nährstoffe verglichen. Der Vergleich zeigte, dass es Metaboliten gibt, die entweder ausschließlich in Fleisch oder in pflanzlichen Produkten vorkommen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Verbraucher, die sich für das eine oder das andere Produkt entscheiden würden, zwangsläufig jeweils auf wichtige Nährstoffe in ihrer täglichen Ernährung verzichten. Außerdem kann trotz ähnlichem Proteingehalts einiger Produkte nicht darauf geschlossen werden, dass die Proteinqualität bei allen alternativen Proteinquellen gleich ist wie auch deren Verdaulichkeit und somit Verfügbarkeit für den Organismus. Faktoren wie die tat-sächliche ideale Verdaulichkeit und der Gehalt an essenziellen Aminosäuren sind für die biologische Wertigkeit entscheidend, weshalb die Proteinqualität von Lebensmitteln tierischer Herkunft oft höher ist als beispielsweise bei pflanzlichen Produkten. Insgesamt sind die Verfahren zur Herstellung von Ersatzprodukten mit alternativen Proteinquellen mitunter aller erforderlichen Zusätze und Zusatzstoffe so umfangreich, dass die Endprodukte in die Kategorie der ultraverarbeiteten Lebensmittel (UPF) fallen. Bisher fehlt es an Humanstudien, die den Einfluss auf Gesundheit oder Krankheit entsprechend stützen könnten. Bei neuartigen Herstellungsprozessen muss außerdem auf bestimmte mögliche Kontaminationsquellen oder allergenen Substanzen geachtet werden. Die Einführung neuer Lebensmittel in der EU kann den Anforderungen der Verordnung über neuartige Lebensmittel, der Novel Food-Verordnung (VO (EU) 2015/2283), unterliegen, wenn diese nicht in erheblichem Maße vor dem Jahr 1997 konsumiert wurden. Diese EU-Regelungen dienen einerseits dazu, ein hohes Niveau beim Gesundheitsschutz zu erreichen. Andererseits soll die Verordnung ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts ermöglichen. Daher müssen neuartige Lebensmittel einer gesundheitlichen Bewertung unterzogen und zugelassen werden, bevor sie in Verkehr gebracht werden dürfen.

Sind alternative Proteinquellen nachhaltig?

Die Etablierung eines nachhaltigeren Ernährungssystems ist von entscheidender Bedeutung, da die Landwirtschaft für knapp ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen (THG) und einen großen Anteil am Verbrauch von Land und Süßwasser verantwortlich ist. Die Welternährungsorganisation FAO definiert nachhaltige Ernährungsweisen als solche mit geringen Umweltauswirkungen, die zur Lebensmittel- und Ernährungssicherheit und zu einem gesunden Leben für heutige und künftige Generationen beitragen. Da alternative Proteine im Vergleich zu Fleisch umweltfreundlicher in der Herstellung sein können, könnten sie eine Rolle bei dieser Transformation spielen. Derzeit sind die Herstellungsprozesse allerdings noch zu energieintensiv – Nachhaltig könnten diese Produkte erst mit grüner Energie oder einer technischen Optimierung beim Upscaling werden. Eine umweltfreundliche Alternative könnten die Produkte vor allem dann sein, wenn Nebenströme aus der Lebensmittelindustrie sowie der Landwirtschaft verwendet werden könnten, zum Beispiel um Nährmedien für Zellkulturen zu erzeugen.

Bisherige Untersuchungen zeigten, dass selbst ein Komplettverzicht auf tierische Lebensmittel in der Nation mit dem zweitgrößten Fleischkonsum (124 kg Fleisch/Person/Jahr), den USA, die THG nur um 2,6 % reduzieren würde. Aktuelle Studien werfen deshalb die Frage auf, ob eine allgemeine Reduzierung des Proteinkonsums erforderlich werden könnte, wenn der Ersatz herkömmlicher tierischer Lebensmittel durch innovative Lösungen nicht ausreicht. Hintergrund ist, dass die Forschungs-und Innovationsbestrebungen bisher auf der Annahme basieren, dass die Nachfrage nach Protein nicht sinken und es aufgrund dessen erforderlich wird einem zukünftigen globalen Proteinmangel entgegenzuwirken. Weitestgehend unberücksichtigt bleibt die Tatsache, dass in vielen Ländern der Proteinverbrauch durchschnittlich über dem physiologischen Bedarf liegt und es möglicherweise nicht notwendig ist, Fleischersatz in Massen zu produzieren. Stattdessen könnte je nach landwirtschaftlichen Rahmenbedingungen eine regionale und spezifische Anpassung des Proteinkonsums erforderlich werden, um die Umwelt nachhaltig sanieren zu können.

In der Diskussion um alternative Proteinquellen als Teil der Lösungsstrategie für eine nachhaltige Ernährung darf insgesamt nicht vergessen werden, dass beinahe das gesamte Bevölkerungswachstum in den Entwicklungsländern stattfinden wird – Dort, wo faktisch auch der größte Proteinmangel besteht. Der Preis dieser neuartigen Produkte und Probleme bei der Verteilung von Lebensmitteln werden in den Entwicklungsländern eine große Herausforderung darstellen.

Literaturhinweise


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Bildquelle


Adobestock/carlosgaw