Wie gesund ist vegetarische und vegane Ernährung?
Flexitarisch, vegetarisch, vegan oder plant-based – immer mehr vor allem junge Menschen verzichten auf Fleisch oder obendrein auf Milch und Eier. In der Markt- und Werbeträger-Analyse des Instituts Allensbach aus dem Jahr 2019 bezeichneten sich 20 Prozent der 20- bis 29-jährigen als Vegetarier oder Veganer (1). Laut einer Online-Umfrage der Internet-Plattform utopia.de mit mehr als 14.400 Teilnehmern ernähren sich sogar 53 Prozent der 18- bis 24-Jährigen vegetarisch (2). 30 Prozent der Teilnehmer der Utopia-Studie bezeichnen sich als „Flexitarier“, die nur gelegentlich Fleisch auf dem Teller haben. Die Studie ist im März 2020 erschienen, liefert also recht aktuelle Zahlen. Zwar handelt es sich hierbei nicht um eine repräsentative Umfrage, da die Nutzer von utopia.de eher zur Gruppe der LOHAS (Lifestyle of Health and Substainability) gehören, also bereits ein starkes Interesse an Umweltthemen haben. Dennoch lassen sich aus der Utopia-Studie Tendenzen in einem bestimmten Milieu ablesen, das durch eine junge Altersgruppe, einen hohen Frauenanteil sowie ein hohes Haushaltseinkommen und ein hohes Bildungsniveau gekennzeichnet ist.
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Bessere Gesundheit bei einer ausgewogenen ovo-lakto-vegetarischen Ernährung
Laut Studien der Universität Harvard (12, 13) führt eine ungesunde vegetarische Ernährungsweise, Stichwort: „Puddingvegetarier“, mit viel süßen Getränken, raffiniertem Getreide, Pommes frites, Chips und Süßigkeiten wiederum zu einem erhöhten Risiko für Herzkrankheiten sowie Sterblichkeitsraten. Genaue Zahlen dazu, wie viele Vegetarier sich ungesund ernähren, gibt es zwar für Deutschland nicht. Dennoch zeigen Studien wie etwa die EPIC-Studie (14) immer wieder, dass Nährstoffmängel unter Vegetariern selten sind.
Die Ernährungswissenschaftler Markus Keller und Claus Leitzmann haben eine vegetarische Ernährungspyramide konzipiert, die auch konkrete Empfehlungen für bestimmte Lebensmittelgruppen bereithält (Abb. 1) (15). Eine vegetarische Ernährung, bei der auch Milch und Eier auf dem Speiseplan stehen und die ausgewogen ist, ist laut DGE auch bei Kleinkindern möglich. Eltern sollten aber bei dieser Ernährungsweise auf eine ausreichende Versorgung mit Jod und Eisen achten (16).
Abbildung 1: Die Gießener vegetarische Ernährungspyramide. Mit freundlicher Genehmigung der BZfE- Fachzeitschrift Ernährung im Fokus, Ausgabe 03_2019
Die vegane Ernährung birgt Chancen und Risiken
Abbildung 2: Die Gießener vegane Lebensmittelpyramide. Weder S, Schaefer C, Keller M. Ernährungs Umschau 2020; Sonderheft 5: 54–63.
Bei einer ausreichenden Versorgung mit allen Nährstoffen, kann eine vegane Diät ebenso gesundheitsförderlich sein. Sie senkt wie eine ovo-lakto-vegetarische Diät das Risiko diverser Volksleiden wie etwa Bluthochdruck (9). Dabei scheint sie verglichen mit der ovo-lakto-vegetarischen Diät das Krebsrisiko nochmals stärker zu senken (22). Wenn Veganer jedoch einen Vitamin-B12-Mangel erleiden, erhöht sich ihr Risiko für Schlaganfälle (23).
Jedoch sind auch Menschen mit geringem Fleischverzehr in gewissem Maße gegen Diabetes, Herz-leiden oder Krebs gefeit (24). So plädieren etwa auch die Wissenschaftler der Eat-Lancet-Kommission für einen kleinen Anteil an Fleisch (etwa 100 Gramm Rind, Lamm oder Schwein und 200 Gramm Geflügel pro Woche) und anderem tierischen Protein (250 Gramm Milch und Milchprodukte pro Tag so-wie 200 Gramm Fisch und 1 bis 2 Eier pro Woche) (25). Durch diese „Planetary Health Diet“ sei eine gesunde als auch nachhaltige Welternährung gesichert (26).
Daher ist bislang schwer zu beweisen, ob die gute Gesundheit von Veganern, Vegetariern und Flexitariern tatsächlich an der veränderten Nährstoffzufuhr liegt oder nicht an der insgesamt besseren Lebensweise. Schließlich bringen sie oft (nicht alle!) weniger Kilos auf die Waage, konsumieren weniger Alkohol, rauchen seltener und bewegen sich mehr. Viele Daten zum Vegetarismus stammen etwa aus einer US-Studie, die unter den Siebenten-Tags-Adventisten durchgeführt wird, die aus religiösen Gründen gesund leben. Der Einfluss von damit einhergehenden, ernährungsunabhängigen Faktoren konnte bisher nicht komplett ausgeschlossen werden (11).
(1) Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse - AWA 2019 (In Statista: study_id61700_lohas-in-deutschland/Statista und https://de.statista.com/statistik/daten/studie/745049/umfrage/vegetarier-in-deutschland-nach-alter/)
(2) Utopia.de: https://utopia.de/utopia-insights/studie-2020/
(3) 10 Regeln der DGE: https://www.dge.de/index.php?id=52
(4) Nationale Verzehrsstudie: https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/gesunde-ernaehrung/nationale-verzehrsstudie-zusammenfassung.html
(5) Richter M, Boeing H, Grünewald-Funk D et al. (2016) Vegane Ernährung – Position der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE). Ernährungs Umschau 4:92-102. DGE-Position zu veganer Ernährung: https://www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/dge-position/vegane-ernaehrung/
(6) Ru-Yi Huang MD, MPH: Vegetarian Diets and Weight Reduction: a Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials. Journal of General Internal Medicine volume 31, pages109–116(2016).
(7) Yujin Lee and Kyong Park: Adherence to a Vegetarian Diet and Diabetes Risk: A Systematic Review and Meta-Analysis of Observational Studies. Nutrients 2017, 9, 603. doi:10.3390/nu9060603
(8) Vincent A. Pallazola et al.: A Clinician’s Guide to Healthy Eating for Cardiovascular Disease Prevention. Mayo Clin Proc Inn Qual Out 2019;3(3):251-267.
(9) Kai Wei Lee et al: Effects of Vegetarian Diets on Blood Pressure Lowering: A Systematic Review with Meta-Analysis and Trial Sequential Analysis. Nutrients 2020, 12, 1604. doi:10.3390/nu12061604
(10) Gary E Fraser 1 et al: Lower rates of cancer and all-cause mortality in an Adventist cohort compared with a US Census population. Cancer. 2020 Mar 1;126(5):1102-1111. doi: 10.1002/cncr.32571
(11) Mensink GBM, Lage Barbosa C, Brettschneider AK (2016) Verbreitung der vegetarischen Ernährungsweise in Deutschland. Journal of Health Monitoring 1(2): 2–15. Doi: 10.17886/RKI-GBE-2016-033
(12) Ambika Satija, ScDa et al: Healthful and unhealthful plant-based diets and the risk of coronary heart disease in US adults. J Am Coll Cardiol. 2017 July 25; 70(4): 411–422. doi:10.1016/j.jacc.2017.05.047
(13) Megu Y Baden et al: Changes in Plant-Based Diet Quality and Total and Cause-Specific Mortality. Circulation 2019 Sep 17;140(12):979-991. doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.119.041014
(14) Jakub G. Sobiecki,: High compliance with dietary recommendations in a cohort of meat eaters, fish eaters, vegeta-rians, and vegans: results from the European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition–Oxford study. Nutr Res. 2016 May; 36(5): 464–477. doi: 10.1016/j.nutres.2015.12.016
(15) Leitzmann, C., & Keller, M. (2012). Vegetarismus: Grundlagen, Vorteile, Risiken (Orig.-Ausg., 4. Aufl). München: Beck.
(16) DGE_Diätetik kompakt 2014: http://docplayer.org/24519218-Diaetetik-kompakt-fachinformationen-der-deutschen-gesellschaft-fuer-ernaehrung-e-v.html
(17) Weikert C, Trefflich I, Menzel J, Obeid R, Longree A, Dierkes J, Meyer K, Herter-Aeberli I, Mai K, Stangl GI, Müller SM, Schwerdtle T, Lampen A, Abraham K: Vitamin and mineral status in a vegan diet. Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 575–82. doi: 10.3238/arztebl.2020.057
(18) https://www.fh-mittelstand.de/fhm/news-hochschulinformationen/artikel/vegetarische-und-vegane-ernaehrung-funktioniert-fhm-hochschullehrer-dr-markus-keller-stellt-erste-e/
(19) Weder S, Schaefer C, Keller M (2018) The Gießen vegan food pyramid. Ernahrungs Umschau 65(8): 134–143.
(20) https://www.dge.de/presse/pm/vegane-ernaehrung-wenig-aktuelle-daten-zu-schwangeren-stillenden-und-kindern/
(21) American Dietetic Association (2009) Position of the AmericanDietetic Association: Vegetarian Diets. J Am Diet Assoc109(7):1266-1282.
(22) Monica Dinu et al.: Vegetarian, vegan diets and multiple health outcomes: A systematic review with meta-analysis of observational studies. . Crit Rev Food Sci Nutr. 2017 Nov 22;57(17):3640-3649. doi: 10.1080/10408398.2016.1138447
(23) Tammy Y N Tong et al.: Risks of ischaemic heart disease and stroke in meat eaters, fish eaters, and vegetarians o-ver 18 years of follow-up: results from the prospective EPIC-Oxford study. BMJ 2019;366:l4897. doi: 10.1136/bmj.l4897
(24) 23. Ernährungsfachtagung der DGE-BW e. V.: Vegane Ernährung: https://www.dge-bw.de/files/dge-bw/uploads-files/PDFs-DGE/Tagungsband_EFT_Vegane_Ernaehrung_2016.pdf
(25) Willett W et al.: Food in the Anthropocene: the EAT–Lancet Commission on healthy diets from sustainable food sys-tems. The Lancet Commissions| Volume 393, ISSUE 10170, P447-492, February 02, 2019. https://www.thelancet.com/pdfs/journals/lancet/PIIS0140-6736(18)31788-4.pdf?utm_campaign=tleat19&utm_source=HubPage
(26) Summary Report of the EAT-Lancet Commission: https://eatforum.org/eat-lancet-commission/eat-lancet-commission-summary-report/