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Gemeinsam.Lebensmittel.Feiern – mit den Ernährungspionieren den Kreislauf schließen. Vom Feld bis auf den Teller, mit Brigitte Theile.

Füllhorn mit Lebensmitteln neben Foto von Moderatorin Brigitte Theile

© KErn

Lebensmittelrettung geht uns alle an: Allein Bayern enden im Durchschnitt pro Person und Jahr 70 Kilogramm Essen im Abfall. Doch es geht auch anders! Überall in Bayern zeigen engagierte Menschen auf allen Stufen der Wertschöpfungskette, wie man mit innovativen Einfällen und Mut zum Handeln noch genießbaren Lebensmitteln ein zweites Leben schenken kann.
In der fünfteiligen Podcast-Reihe „Gemeinsam.Lebensmittel.Feiern – mit den Ernährungspionieren den Kreislauf schließen“ stellt das KErn diese Pioniere auf dem Gebiet der Lebensmittelrettung vor. Entdecken Sie gemeinsam mit BR-Moderatorin Brigitte Theile in jeder Folge inspirierende Geschichten aus Landwirtschaft, Verarbeitung, Handel oder Gemeinschaftsverpflegung und erfahren Sie, wie Sie selbst aktiv werden können. Jetzt reinhören und Gemeinsam.Lebensmittel.Feiern!


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Werden Sie selbst aktiv gegen Lebensmittelverschwendung!

Bereits kleine Schritte können einen großen Beitrag leisten. Unsere KErn-Projekte zur Lebensmittelrettung zeigen Ihnen mit cleveren Tipps und Tricks sowie inspirierenden Beispielen, wie es geht.

Folge 1: Pioniere der Landwirtschaft

Füllhorn mit Lebensmitteln und Fotos von Gästen der ersten Podcast-Folge Gemeinsam.Lebensmittel.Feiern

© KErn

In der ersten Folge der KErn-Podcastreihe „Gemeinsam. Lebensmittel. Feiern“ stellen wir zwei Pioniere aus der Landwirtschaft vor, die mit cleveren Upcycling-Ideen Lebensmitteln ein zweites Leben schenken:

Birgit Dinauer baut zusammen mit ihrem Mann auf den Feldern ihres historischen Hofes im Landkreis Regensburg Lein, Sonnenblumen, Raps und Senf an und verarbeitet die Früchte zu Öl. Anfallende Reste aus der Ölherstellung – den sogenannten Trester – wirft sie nicht einfach in den Müll, sondern verarbeitet sie zu Mehl und isoliertem Protein weiter.

Eine übergroße Ernte und die Liebe seiner Kinder zu süßen Knabbereien brachten Christoph Wasinger aus Wiesent in der Oberpfalz auf die Idee, in die Weiterverarbeitung von Erdbeeren einzusteigen – und diese in gefriergetrockneter Form anzubieten.


Transkription - Folge 1: Pioniere der Landwirtschaft

Folge 1: Pioniere der Landwirtschaft
Moderatorin: Brigitte Theile
Gesprächspartner: Angela Dietz, Birgit Dinauer und Christoph Wasinger
Sprecher: Axel Robert Müller

Moderatorin Brigitte Theile:
Ihr alle könntet es. Du, Du, Du …. und ich natürlich auch: klar, Lebensmittel retten.
Nein, hier geht es nicht um Mülltonnentauchen. Hier geht es darum, aus übrig gebliebenen Lebensmitteln, die normalerweise im Müll landen, neue Lebensmittel und andere nachhaltige Produkte zu machen. Wir treffen Pioniere aus der Landwirtschaft, aus der Verarbeitung, aus dem Handel, der Gemeinschaftsverpflegung und auch uns, wir treffen Verbraucher. Alles Menschen die tolle Ideen haben, um den Kreislauf zu schließen, damit wir die Verschwendung und das Wegwerfen von Lebensmitteln vermeiden können.

Sprecher: Der Kern-Podcast. Gemeinsam Lebensmittel Feiern, mit den Ernährungspionieren den Kreislauf schließen. Vom Feld bis auf den Teller, mit Brigitte Theile.

Moderatorin Brigitte Theile: Schön, dass ihr dabei seid. Wir schmeißen zu viel weg – das ist ein klarer Fakt. Allein in Deutschland sind es rund 11 Millionen Tonnen - von denen etwa die Hälfte vermeidbar wäre. Aber was sind vermeidbare Lebensmittelverluste? Das sind Lebensmittel, die zum Zeitpunkt ihrer Entsorgung noch genießbar sind, oder wenn wir sie rechtzeitig gegessen hätten, noch genießbar gewesen wären. Nicht vermeidbare Abfälle sind überwiegend nicht essbare Bestandteile, zum Beispiel Bananenschalen, Fischgräten oder Knochen. Das Kompetenzzentrum für Ernährung, kurz KErn, die setzen übrigens Projekte für das bayerische Ernährungsministerium um, das will uns alle aufmerksam machen und zeigen, was es jetzt schon für tolle Ideen gibt, um das zu ändern. Also ein Angebot an uns alle über neue Wege nachzudenken. Angela Dietz ist vom KErn, lass uns da mal kurz genauer hinschauen, Angela – wieviel werfen wir pro Kopf im Jahr weg und was hat das auch ganz maßgeblich mit der Veränderung unseres Klimas zu tun?

Angela Dietz: Also in Bayern sind es rund 1 Million Tonnen Lebensmittel, die wir pro Jahr entlang der gesamten Wertschöpfungskette, das heißt also vom Feld bis zum Teller, wegwerfen, obwohl sie noch genießbar, also verzehrsfähig gewesen wären. Und wenn wir uns dazu ein Bild vorstellen, dann sind es 55000 voll beladene Lkws, also schon eine ziemliche Menge, und der größte Teil entsteht dabei auf der letzten Stufe, auf der Stufe des Verbrauchers, also im Privathaushalt. Und wenn wir uns außer Haus verpflegen, sei es wenn wir essen gehen oder wenn wir uns mittags in der Kantine verpflegen, und wir lassen dann Teller-Reste zurückgehen, und wenn wir schauen, wie viel wirft jeder von uns im Jahr, also pro Kopf im Privathaushalt weg, dann sind es so 70 Kilogramm, und davon wären rund 30 Kilogramm noch verzehrsfähig gewesen. Also es ist nicht nur das Geld, das wir wegwerfen, sondern auch ein Verlust an wertvollen, begrenzten Ressourcen wie Ackerflächen, Wasser, Energie, alles Ressourcen, die nicht beliebig vermehrbar sind. Und bei der Produktion und dann auch bei der Entsorgung von Lebensmitteln fallen Treibhausgase an, und mittlerweile wissen wir ja gut Bescheid: Treibhausgase tragen wesentlich zur Klimakrise bei, sodass man wirklich sagen kann, weniger Lebensmittel wegzuwerfen ist ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz.

Moderatorin Brigitte Theile: Wir sprechen hier alle Gruppen an, also sowohl die Landwirte als auch die Verbraucher, den Handel, die Verarbeitenden Betriebe – was ist denn die Idee hinter dem Podcast?

Angela Dietz: Dass wir aufzeigen möchten, dass Lebensmittel viel zu wertvoll sind, um sie wegzuwerfen, und wir denken, dass es da auch noch sehr viel Potenzial gibt, um Ressourcen zu schonen, sie effizienter zu nutzen und sie auch in einem Kreislauf wiederzuverwenden. Also wenn wir uns zurück erinnern an unsere Großeltern beispielsweise, da war das selbstverständlich. Da wurden ja wenig Lebensmittel oder überhaupt keine Lebensmittel weggeworfen, weil aus Resten neue Gerichte hergestellt oder Ernteüberschüsse haltbar gemacht wurden durch Fermentieren, durch Einmachen. Also, man hat viel stärker in Kreisläufen gedacht und letztendlich so, wie es in der Natur ja auch ist. Wir möchten dem Hörer Impulse geben, in seinem persönlichen Bereich auch zu schauen, was kann ich da verändern, wie kann ich mehr in Kreisläufen denken und auch handeln und auch ganz konkret Personen vorstellen, die hier schon sehr innovative Ideen umsetzen und neue Wege gehen.

Moderatorin Brigitte Theile: Und damit kommen wir dann zu unseren Pionieren, auf die ich mich sehr freue, und diesmal sind es eben die Pioniere aus der Landwirtschaft. Mit Birgit Dinauer und Christoph Wasinger. Beide haben tolle Ideen und machen Lebensmittelupcycling. Ja, klingt vielleicht ein bisschen komisch, viele von euch kennen das eher von Möbeln, oder aus der Kreislaufwirtschaft, also Recycling – aus Alt mach Neu. Aber das geht auch bei Lebensmitteln. In der Fleischverarbeitung haben wir das zum Beispiel bereits, da heißt das Ganze from nose to tail, also von der Nase bis zum Schwanz, wird da alles verarbeitet. Und auch wenn wir in die pflanzenbasierte Ernährung gehen, sehen wir den Trend from leaf to root, also vom Blatt bis zur Wurzel wird da die ganze Pflanze genutzt. Jetzt schauen wir mal mit unseren Pionieren, wie das dann in der Praxis aussehen kann.
Birgit, du bist selber Erzeugerin. Was bedeuten Lebensmittel für dich?

Birgit Dinauer: Wir kaufen ganz bewusst unsere Lebensmittel auch bei anderen Direktvermarktern in anderen Hofläden. Bewusst, was Menge angeht, was die Qualität angeht, und somit gibt's wenig, was man verschwendet. Mein Mann war früher mal eine Zeit lang in Kenia, hat ihn sehr geprägt, was das Wegwerfen angeht, weil da ist zum Beispiel das Wasser knapp oder die Sachen, die sie zum Essen haben. Man wird durch das sehr bewusst, was Essen angeht und was Verschwendung angeht und was wir selber anbauen, das kann man gar nicht wegschmeißen.

Moderatorin Brigitte Theile: Christoph, wie ist das bei dir?

Christoph Wasinger: Lebensmittel sind einfach kostbar, einfach das wichtigste, was wir brauchen.

Moderatorin Brigitte Theile: Birgit, ihr stellt pflanzliche Öle her und produziert dabei Abfall, der eigentlich gar kein Abfall ist. Kannst du uns das ein bisschen genauer erklären?

Birgit Dinauer: Wir pressen Öle aus, Speiseöle. Es fällt Presskuchen an, und dieser Presskuchen wird natürlich auch verwendet. Der wird nochmal vermahlen zu teilentöltem glutenfreiem Mehl, oder man kann aus diesem Mehl nochmal Protein rausfiltern, machen wir auch selber. Veganer, Sportler brauchen so Proteinpulver.

Moderatorin Brigitte Theile: Mhm. Ich weiß, dass das eine Herzensangelegenheit ist für dich. Bist du mit deinem Mann da zusammengesessen? Du hast vorhin erzählt, der war in Afrika, hat natürlich auch nochmal ein anderes Verhältnis zu Lebensmitteln. Wer von euch hat den Anstoß gegeben? Kam es vielleicht von den Kindern? Ich weiß, du hast drei Kinder. Wie kam das?

Birgit Dinauer: Ganz anders!

Moderatorin Brigitte Theile: Ganz anders?

Birgit Dinauer: Wie es immer so ist, komplett anders. Einfach nur durch eine riesige Walnussernte, wir haben ein paar Walnussbäume. 2018 war das und in der Zeit, da hat es Unmengen an Walnüssen gegeben, und wir haben die natürlich alle gesammelt, getrocknet, und nicht gewusst, was wir damit machen sollen. Jetzt waren unsere Buben damals 16 circa und da haben wir gesagt, ihr müsst jetzt den ganzen Winter diese Nüsse knacken, am Ende waren es immer noch Berge an Nüssen. Dann hat der Christian irgendwann gehört, man kann Öl machen aus Walnüssen. Dann haben wir uns eine kleine Presse gekauft, haben das Öl ausgepresst und verschenkt, und dann waren die Leute begeistert von diesem Öl, weil das so gut schmeckt. So ist das entstanden.

Moderatorin Brigitte Theile: Christoph, ihr hattet die Idee, Bio-Erdbeeren, die nicht vermarktet werden können, zu retten und daraus gefriergetrocknete Erdbeeren zu machen. Jetzt erstmal die Frage, was sind denn bitte Erdbeeren, die nicht verkauft werden können? Sind die runzlig, oder was ist mit denen?

Christoph Wasinger: Nein, bei den Erdbeeren ist einfach immer so die Zeit, wo man Regentage hat, und da verkauft man weniger. Aber das Problem ist, die Erdbeeren werden ja trotzdem reif, und alles, was dann überreif ist, muss dann eigentlich runter, beziehungsweise haben wir die dann mal zu Marmelade verarbeitet, teilweise bleiben sie einfach über und verfaulen oder bleiben hängen und verfaulen, und dann haben wir irgendwann gesagt, eigentlich ist es sehr schade drum um die Erdbeeren, was machen wir damit? Und dann war ich irgendwann mal beim Einkaufen, dann habe ich die gekauft und dann habe ich mal die Packung gelesen: Wo kommt es her? Da bin ich eigentlich wirklich erschrocken: Von Kasachstan, Serbien, teilweise von anderen Kontinenten. Und das hat mich dann zum Überlegen gebracht, was machen wir mit den Erdbeeren, eigentlich könnten wir doch auch unsere Erdbeeren, die wir über haben, gefriertrocknen. Und dann ist eigentlich der schwierige Part gekommen: Einen Gefriertrockner zu finden. Und dann haben wir wirklich einen Gefriertrockner gefunden, wo man einfach Mengen machen kann, die man vermarkten kann. Dann haben wir damit angefangen, und jetzt produzieren wir eigentlich gefriergetrocknete Erdbeeren aus Bayern, Deutschland, regional.

Moderatorin Brigitte Theile: Also letztendlich habt ihr 300 Kilo Erdbeeren gerettet.

Christoph Wasinger: Genau!

Moderatorin Brigitte Theile: Was man bei euch beiden hört, dass ihr euch einfach Gedanken gemacht habt und eben gesagt habt, wir wollen schauen, dass wir auch die Reste weiter verwerten können, das ist ja schon mal ein Anfang. Es geht ja auch darum, wenn euch Landwirtinnen und Landwirte hören, die vielleicht auch, die ihr gerade zuhört, euch ein bisschen anzustupsen, vielleicht auch in die Richtung zu denken. Wie sieht es denn mit der Finanzierung aus, Christoph, wie habt ihr das gemacht?

Christoph Wasinger: Unser Glück war, dass wir irgendwann so während des Planens in der Zeitung einfach gelesen haben, dass die Öko-Modellregion Regensburg Kleinprojekte fördert. Warum sollen wir das jetzt nicht fördern lassen?

Moderatorin Brigitte Theile: Ja, dann genau!

Christoph Wasinger: Also im Prinzip hab ich mir das so ein bisschen durchgelesen. Was für Voraussetzungen und was gegeben war. Und dann hab ich mir gedacht, das ist ja eigentlich genau das, was wir machen: Nachhaltigkeit, regional. Und dann habe ich mit der Öko-Modellregion Regensburg telefoniert und da war auch super gleich Rückantwort da. Die haben gesagt, das finden sie auch super toll, und das machen wir. Und dann ist das zu 50 Prozent gefördert worden.

Moderatorin Brigitte Theile: Wie war das bei euch Birgit?

Birgit Dinauer: Wir haben keine Förderung beantragt, damals, wie wir die Ölmühle umbaut haben. Wir haben den alten Stall komplett entkernt. Förderung, da haben wir drüber nachgedacht, aber die reden dann so viel mit rein. Mein Mann hat gesagt, er will das so machen, wie er will, und wir zahlen das lieber selber.

Moderatorin Brigitte Theile: Wie gut läuft denn die Idee bei euch, Birgit und wie schwierig in Anführungsstrichen war es am Anfang, auch Abnehmer davon zu überzeugen von eurem Proteinmehl?

Birgit Dinauer: Produziert ist es gleich. Vermarkten, das ist noch mal eine ganz andere Geschichte. Das ist schon schwierig. Man muss den Menschen mitteilen, dass man da ist, man muss mal was herschenken oder einfach sich bemerkbar machen. Das ist langwierig, schwierig.

Moderatorin Brigitte Theile: Es ist langwierig, schwierig. Wo wird denn jetzt im Moment, wo werden eure Sachen präsentiert beziehungsweise verkauft? Wen habt ihr da jetzt als Partner?

Birgit Dinauer: Zum großen Teil in den Kantinen, Restaurants, Käsereien, die unser Öl kriegen. Proteinmehl kommt drauf an, in welchen Läden die Kunden fragen. Meistens gibt’s es nur im Hofladen bei uns, da haben wir alle Produkte da. Die Läden suchen sich ihr Sortiment selber zusammen.

Moderatorin Brigitte Theile: Und wie ist da so das Feedback?

Birgit Dinauer: Gut, hat auch gedauert natürlich, aber mittlerweile kommen die Kunden von weit her zu uns ins kleine Dorf.
Moderatorin Brigitte Theile: Wie war das bei euch? Christoph?

Christoph Wasinger: Wir bringen eigentlich unsere Menge, die wir aktuell haben, relativ gut so in nahem Umfeld, sehr gut weiter. Wir beliefern das Landratsamt, so kleine Hofläden, fangen wir gerade an, da einzusteigen. Und ganz viel Private, die uns halt übers Erdbeerfeld, wir haben ja ein Erdbeer-Selbstpflückerfeld, da bieten wir es auch an. Wir bringen es jetzt aktuell, toi toi toi, so super weiter, dass man jetzt sagen muss, da bräuchte man erst mehr Menge, dass man so richtig einsteigen kann. Und sagen könnte, braucht man einen Online-Shop oder Lebensmittel-Einzelhandel in dem Bereich, wenn wir gehen würden, dann könnte man da schon weitergehen.

Moderatorin Brigitte Theile: Birgit. Wenn du neue Kunden bei dir im Hofladen hast, und du stellst zum Beispiel dein Proteinmehl vor, wie ist denn da die Reaktion? „Eh, wieder ein Trend, wieder Protein“ oder ist da eher „Toll? Wow, was ist das?“ Sind es eher Sportler, die kommen? Was sind das für Menschen?

Birgit Dinauer: Bewusst denkende Menschen, die sich schon Gedanken darüber gemacht haben, was ich esse, auf Qualität achten, und manche kommen drauf: So teuer ist das gar nicht. Man muss einfach mal schauen und ausprobieren. Oft braucht man von so hochwertigen Sachen viel weniger in der Küche, weil es einfach pur, naturbelassen ist, nicht gestreckt oder irgendwas. Man braucht einfach weniger, und somit ist es am Ende auch günstiger. Die Kunden, mei, ja Proteinmehl, das verlangen sie erst wenn sie wissen, dass wir es haben.

Moderatorin Brigitte Theile: Hm, was ich ganz spannend fand: Bei mir im Freundeskreis habe ich von diesem Kern Podcast erzählt und von euren Innovationen, und da war durch die Bank immer „Uh! Super. Wie heißt, der Podcast, möchte ich sofort anhören. Toll!“. Also ich hatte das Gefühl, da ist ein ganz großes Interesse da. Wie kann man euch, wie kann man eure Ideen, wie kann man eure Produkte für uns Kunden sichtbarer machen? Oder was habe auch ich als Kunde für eine Verantwortung, Birgit, dass ich überhaupt mal weiß, ah so was gibt es? Ich habe in meinem Leben vorher von sowas wie Proteinmehl als wiederverwendbares Lebensmittel noch nie gehört, ehrlich gesagt.

Birgit Dinauer: Man muss einfach selber schauen, das kommt nicht auf einen zu. Ich glaub, das muss man schon suchen, so einen kleinen Hofladen. Wir haben immer wieder Kunden, die sagen: „Jetzt bin ich ja gar nicht weit weg. Ich habe gar nicht gewusst, dass es euch gibt“. Man kann nicht großartig Werbung machen in irgendwelchen Medien oder Zeitungen oder so, das kostet einen Haufen Geld und so durch die sozialen Medien geht es. Da finden schon viele zu uns, oder man muss einfach schauen, ich wohne da und da, was gibt's in der Umgebung.

Moderatorin Brigitte Theile: Ja, also einfach tiefer in die eigene Region eintauchen und mal schauen, was da angeboten wird. Was können wir Kunden noch tun? Christoph, dass wir solche Innovationen wie von euch wahrnehmen.

Christoph Wasinger: Auf den Online-Plattformen findet man mittlerweile schon einiges auch. Sehr gut hilfreich, die Öko-Modellregion bei uns. Findet einfach die Landkreise oder die Regionen, von Landratsamt oder so, vielleicht da noch ein bisschen mehr einsteigen, dass die da die Regionalität, was es bei uns überhaupt gibt, vielleicht die Social Media Plattformen, besser publik machen. Wenn ich jetzt daheim Zeit habe und klick mich da durch, unter der Öko-Modellregion Seite, da denke ich mir, wow, was wir eigentlich an Sachen haben in der Region, wo ich eigentlich gar nicht weit fahren muss beziehungsweise teilweise schnell mit dem Rad fahren kann.

Moderatorin Brigitte Theile: Wenn ihr beide zurückschaut, was waren so, Birgit, die größten Herausforderungen? Was würdest du heute vielleicht aus der Retrospektive anders machen, oder welche Tipps könntest du Landwirtinnen und Landwirten geben, die sagen, ich habe auch eine Idee und würde es gerne umsetzen?

Birgit Dinauer: Anders machen würde ich nichts, das hat schon so gepasst. Das, glaube ich, haben wir schon ganz gut hingebracht. Man darf nicht erwarten, das geht schwupps durch die Decke, und jetzt läufts. Das passiert nicht. Das ist ganz viel Arbeit, viel Gespräche. Standbein ja, aber Haupterwerb ist wieder ganz was anderes.
Moderatorin Brigitte Theile: Christoph bei dir, was würdest du sagen? Was war so der größte Stolperstein oder was war vielleicht gar kein Problem, mit dem du gerechnet hast? Auch so rum kann es ja sein.

Christoph Wasinger: Stolpersteine hat man immer. Ich finde, eines von den wichtigsten Sachen ist, dass man selbst überzeugt sein muss und man muss immer an sich selbst glauben, und man muss immer daran glauben, und nicht aufgeben.

Moderatorin Brigitte Theile: Birgit. Wenn du in die Zukunft schaust, was würdest du dir als Landwirtin mit Herz - was ist das, was du dir wünschen würdest, oder was würdest du dir erträumen? Oder was hättest du für Ideen?

Birgit Dinauer: Das mit den Kindern ist ein Anliegen, was uns sehr am Herzen liegt, also dass die Kinder zu uns kommen von Kindergartenalter, Schulalter, dass die Kinder uns kennenlernen. Was wir machen, wie wir es machen. Bei uns wächst ziemlich alles, was man zum Leben, zum Essen brauchen, an Lebensmittel.

Christoph Wasinger: Wünsche oder Ziele ist einfach das, dass der Konsument oder jeder einzelne in erster Linie ein gesundes Lebensmittel und auch Tierwohl will und einfach über das eigene Wohl vielleicht ein bisschen nachdenkt und überlegt. Ein neues Handy kommt raus, brauche ich das jetzt? Aber wenn man halt beim Landwirt ist und kauft irgendein Lebensmittel: „Oh, das ist aber teuer.“ Das einfach ein bisschen mehr wertschätzt.

Moderatorin Brigitte Theile: Den Kreislauf schließen, Lebensmittel wertschätzen und dadurch dann auch Müll beziehungsweise das Wegwerfen von noch guten Lebensmitteln vermeiden. Vielen, vielen Dank ihr zwei Pioniere, dass ihr mit diesen tollen Ideen vorausgeht. Danke dir Birgit, danke dir, Christoph.

Birgit Dinauer: Gerne

Christoph Wasinger: Ganz gerne.

Moderatorin Brigitte Theile: Wir alle können mithelfen, den Lebensmittelkreislauf auf allen Ebenen zu schließen.
Ihr zwei geht als tolles Beispiel voran - ich danke euch sehr– und wir als Konsumenten gehören natürlich auch mit zum Kreislauf.
Fangt einfach beim Einkauf schon mal an, was braucht ihr da wirklich und wird das dann auch gegessen.
Wie können wir vielleicht auch unsere Lebensmittel weiterverwenden, damit sie dann nicht im Müll landen. Und über alles steht natürlich:
Der beste Müll ist der, der gar nicht erst entsteht!
Was es da für tolle Möglichkeiten gibt, haben uns unsere Landwirte Birgit und Christoph gerade erzählt.

Sprecher: Weil Wissen bewegt, jetzt noch mal das Wichtigste zum schnell Merken und Weitererzählen

Moderatorin Brigitte Theile: Also, auf jeder Wertschöpfungsstufe ist ein Beitrag gegen Lebensmittelverschwendung möglich; auch im Bereich Landwirtschaft gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zum Beispiel Mut haben, neue Wege zu gehen, auch bei der Lebensmittelrettung; sich nicht beirren lassen. Wir Verbraucher Augen und Ohren offen halten, welche regionalen Produkte gibt es in der Umgebung, im regionalen Handel, vielleicht eine Regionalecke im Supermarkt, Hofläden und dann natürlich auch immer online schauen und einfach mal den eigenen Konsum hinterfragen. Lebensmittel als Mittel zum Leben wieder wertschätzen
In unserer nächsten Folge treffen wir Pioniere der Verarbeitung und schauen unter anderem bei einem Bäcker vorbei – der schätzt sein Handwerk und Lebensmittel so sehr, dass er ein uraltes Rezept rausgekramt hat. Damit steht er zwar länger in der Backstube – kann aber ein hochwertiges Produkt anbieten, mit dem er das Wegwerfen von Lebensmitteln erfolgreich vermeiden kann.
Lasst Euch begeistern und anstoßen.
Denn jeder von uns kann ein Teil eines Kreislaufes werden, der die Verschwendung von Lebensmitteln stoppt.

Sprecher: Egal auf welcher Wertschöpfungsstufe Du stehst, als Landwirt, in der Gemeinschaftsverpflegung oder im Handel, auch Du bist Teil des Ernährungskreislaufs. Nur gemeinsam entstehen mit frischen Ideen aus Lebensmittelresten Gerichte und innovative Produkte. Weitere Infos auf KErn Punkt Bayern Punkt de, oder Du klickst direkt auf den Link im Umfeld des Podcasts, weil Ernährung ein Kreislauf ist.

Folge 2: Pioniere der Verarbeitung

Tonspur Podcastfolge-2 Pioniere der Verarbeitung

Füllhorn mit Lebensmitteln und Fotos von Gästen der zweiten Podcast-Folge Gemeinsam.Lebensmittel.Feiern

© KErn

In der zweiten Folge der KErn-Podcastreihe „Gemeinsam.Lebensmittel.Feiern“ stellen wir zwei Pioniere aus der Verarbeitung vor, die mit innovativen Ideen und Erfindergeist Lebensmittel retten.

Sie lernen Stefan Geisenhofer kennen, einen Bäckermeister aus Freising, der altbackenem Brot zu einem zweiten Leben verhilft und daraus frische Brote mit einer längeren Haltbarkeit und leckere Snacks herstellt. Außerdem setzt er ein ausgeklügeltes Warenwirtschaftssystem um und kann mit diesen Maßnahmen die Lebensmittelverschwendung reduzieren.

Eine Brauerei zuhause brachte Studenten dazu, sich eine Verwertungsidee für den beim Bierbrauen anfallenden Reststoff, den Biertreber, zu überlegen. Im interdisziplinaren Team war die Idee geboren, aus Biertreber eine Milchalternative herzustellen, die schmeckt und einen hohen Proteingehalt und wenig Zucker enthält.

Transkription - Folge 2: Pioniere der Verarbeitung

Folge 2: Pioniere der Verarbeitung
Moderatorin: Brigitte Theile
Gesprächspartner: Stefanie Rutz, Stefan Geisenhofer, Denise Ilogu
Sprecher: Axel Robert Müller

Moderatorin: Ein Milchalternative kann die kleine Schwester vom Bier werden. Wie geht das?
Das zeigen uns heute ein paar Studenten, die mal eben aus dem Bier- Abfallprodukt -Treber etwas Neues zaubern.
Außerdem erleben wir, wie traditionelle Rezepte in der Backstube Abfall vermeiden können.
Kommt mit, besucht mit mir Pioniere der Verarbeitung, die mit ihren fantastischen Ideen Lebensmittelverschwendung vermeiden.

Sprecher: Der KErn-Podcast. Gemeinsam Lebensmittel Feiern – mit den Ernährungspionieren den Kreislauf schließen. Vom Feld bis auf den Teller, mit Brigitte Theile.

Moderatorin: Wir wollen uns heute Platz 3 widmen. Denn Brot und Backwaren werden nach Obst und Gemüse und bereits zubereitetem Essen am dritthäufigsten weggeschmissen.
Ja, das passiert ja in erster Linie in den Bäckereien und nicht bei den Verbrauchern wie uns, sagt ihr jetzt vielleicht. Aber ist das wirklich so? Die Frage gebe ich gleich mal weiter an Stefanie Rutz, sie arbeitet für das KErn. Das ist das Kompetenzzentrum für Ernährung. Das setzt Projekte für das bayerische Ernährungsministerium um und dort hatten sie die Idee für diesen Podcast.
Grüß Dich Stefanie.

Stefanie Rutz: Hallo grüß Dich.

Moderatorin: Wie viel wird in der Lebensmittelproduktion tatsächlich weggeworfen?

Stefanie Rutz: Von der knapp einen Million Tonnen Lebensmittel, die in Bayern auf dem Weg vom Feld bis auf den Teller weggeworfen werden, obwohl sie noch verzehrsfähig gewesen wären, fallen rund 20 Prozent in den lebensmittelherstellenden Betrieben, also auf der zweiten Stufe der Wertschöpfungskette, an. Die Ursachen für die Lebensmittelverschwendung auf der Stufe der Lebensmittelproduktion sind beispielsweise Abweichungen vom geforderten Produkt oder Qualitätsstandards oder auch Überproduktion und Fehlplanungen.

Moderatorin: Jetzt gibt es eine Hierarchie der Lebensmittelrettung. Die gute Nachricht für alle, die uns zuhören. Jeder von uns kann auf einer dieser Stufen handeln und eben Lebensmittel retten und Lebensmittelverschwendung vermeiden. Da sind wir schon beim ersten Punkt der Hierarchie. Ich mache das mal kurz. Das ist Vermeiden, Reduzieren, Wiederverwenden, Weiterverwenden, Recyclen und Entsorgen. Lass` uns beim Vermeiden anfangen!

Stefanie Rutz: Damit ist eine gute Planung der Einkäufe gemeint und essenziell. Wir sind heute zu Besuch in einer Bäckerei und hier müssen wir uns als Verbraucher immer wieder kritisch fragen, ob wir wirklich bis zum Ladenschluss das volle Regal mit frischen Backwaren erwarten sollen.

Moderatorin: Oder ob wir nicht einfach mit mehr Flexibilität da reingehen, und dann gibt's halt mal kein Dinkel-, sondern ein Roggenbrot.

Stefanie Rutz: Genau.

Moderatorin: Brot ist Brot. Wiederverwenden, finde ich ganz spannend. Wie kann ich denn Lebensmittel wiederverwenden?

Stefanie Rutz: Wenn vielleicht vom Vortag noch ein Lebensmittelrest übrig ist oder andere Zutaten noch zu Hause übrig sind, mit Reste-Rezepten kann ich durchaus auch noch was Leckeres zaubern, und so wird eine braune Banane zu einem leckeren Smoothie.

Moderatorin: Ah ja, genau, und damit sind wir dann auch gleich beim Lebensmittel retten. Da gibt es auch noch viele Möglichkeiten, sowohl zuhause als auch im Supermarkt. Hast du da auch noch Beispiele?

Stefanie Rutz: So kann man zum Beispiel die einzelnen Bananen, die sonst weggeworfen werden, noch retten oder auch Dinge kurz vorm Haltbarkeitsdatum zu einem vielleicht vergünstigten Preis erwerben. Zusätzlich ist es wichtig, dass man Lebensmittel, die uns nicht mehr schmecken oder die übrig geblieben sind, kurz bevor wir in Urlaub aufbrechen, können wir noch an Freunde, Familie verteilen. Oder natürlich auch, es gibt tolle Initiativen und Apps, die uns helfen, diese Lebensmittel zu verteilen und an Interessierte weiterzugeben.

Moderatorin: Und so wie ich dich kenne, hast du da bestimmt noch mehr Ideen zur Weiterverwendung.

Stefanie Rutz: Wir können für Beauty und unsere Kosmetikprodukte Lebensmittelreste verwenden.

Moderatorin: Hast Du da ein Beispiel?

Stefanie Rutz: Ja, zum Beispiel ein tolles Kaffeesatzpeeling, glaube ich, darüber würden wir beide uns sehr freuen.

Moderatorin: Kaffeesatzpeeling, also ich würde mich darüber freuen, aber meine Pflanzen nicht, weil die kriegen immer meinen Kaffeesatz, aber den müssen sie in Zukunft teilen mit mir. Wie sieht es denn mit Recyclen aus?

Stefanie Rutz: Beim Recyclen ist einfach wichtig, dass wir uns bewusst machen, was kann ich kompostieren, wie du schon angesprochen hast, und was muss ich trennen? Was kommt wohin? Es ist wichtig, dass man auch noch versucht, vielleicht Reste der energetischen Nutzung zuzuführen, und nur wirklich, was am Ende übrigbleibt, muss entsorgt werden. Denn das Allerwichtigste ist, dass der Müll natürlich so gering wie möglich ausfällt, denn der beste Müll ist der, der nie entsteht.

Moderatorin: Ganz genau, danke dir.

Stefanie Rutz: Sehr gerne.

Moderatorin: Es gibt also viele verschiedene Stufen, auf denen wir alle etwas tun können. Viele Bäckereien haben seit Jahren die Happy Hour - kennt ihr bestimmt auch - da werden Backwaren bis zur Hälfte günstiger angeboten. Und viele Bäckereien geben dann das noch übriggebliebene Brot auch an die Tafel. So macht das auch Stefan Geisenhofer. Aber er hat noch viel mehr Ideen. Vor 10 Jahren fing er mit seiner Frau zusammen als kleines Start-Up mit Bäckerei und Konditorei in Freising an - damals mit 3 Angestellten. Heute sind es 5 Läden und 100 Mitarbeiter. Stefan steht länger als viele andere Bäcker in der Backstube, weil er mit alten Ideen es schafft, fast keine Lebensmittel zu verschwenden - aber das kostet viel Zeit.
Lieber Stefan, wieso bist du bereit, mehr Zeit als viele andere Bäcker in dein Handwerk zu investieren?

Stefan Geisenhofer: Wir haben uns auf die Fahne geschrieben: Wir möchten eigentlich wieder backen wie vor 100 Jahren. Wir verwenden keine Zusatzstoffe, wir verwenden keine fertigen Backmischungen, sondern machen das eigentlich wieder so wie zu Uropas-Zeiten, wir fermentieren unsere Teige, wir züchten unsere Sauerteige, geben einfach der Ware viel Zeit sich zu entwickeln.

Moderatorin: Woher kommt diese Begeisterung für Lebensmittel?

Stefan Geisenhofer: Einerseits ist es bei mir familiär geprägt, also ich bin in einer Metzgerei und einer Landwirtschaft aufgewachsen und das ist einfach die eigene Ideologie. Also ich möchte nur hochwertige Lebensmittel selber essen und das ist der Anspruch, dass wir das selbst so produzieren.

Moderatorin: Landwirtschaft habt ihr, deine Eltern haben dir das vorgelebt, dementsprechend mit Lebensmitteln umzugehen?

Stefan Geisenhofer: Ja genau, also meine Eltern haben eine Metzgerei und eine Landwirtschaft und wir haben dann relativ früh einen Aussiedlerhof gebaut, wo die Tiere für die Metzgerei gezüchtet werden, alles in einem ganz engen Kreislauf. Dieser Gedanke spielte sich dann bei uns weiter.

Moderatorin: Das ist nämlich das Spannende bei euch in der Familie. Da sprechen wir gleich darüber, du hast ja noch drei Brüder, wie großartig ihr in dieser Familie diesen Kreislauf herstellen könnt, über den wir hier sprechen, der für uns alle gelten sollte. Du lebst das, was du da machst.

Stefan Geisenhofer: Ja und vor allem nicht bloß ich, sondern eigentlich unser ganzes Team, meine Frau, unsere Bäcker, das macht uns wahnsinnig stolz, einfach Menschen zu ernähren und wenn wir das dann noch mit guten Gewissen und mit der Ideologie vereinbaren können, dann ist es eigentlich wirklich ein wunderbarer Job, der einem täglich glücklich macht, der einen zufrieden stellt, und man geht jeden Tag, auch wenn die Arbeitszeiten oft bestimmt nicht die besten sind, nach Hause und freut sich einfach darüber, dass man wieder zig Menschen ernährt hat.

Moderatorin: Super, du verbringst mehr Zeit als andere Bäcker oder viele andere Bäcker in der Backstube, weil du ein 100 Jahre altes Rezept wieder an den Start gebracht hast, nämlich Sauerteig ansetzen, erzähle uns mal bitte, wie das funktioniert, was ihr da macht.

Stefan Geisenhofer: Sauerteig ansetzen funktioniert eigentlich relativ einfach. Wir fermentieren das Mehl mit Wasser und züchten dort unsere Bakterien und unsere wilden Hefen. Das Endergebnis für den Verbraucher ist, dass die Brote verträglicher werden, dass sie länger frisch bleiben, dass sie eigentlich geschmacksintensiver sind.

Moderatorin: Ja, weil der ganz wichtige Punkt ist, das, was du jetzt gerade als Mehl bezeichnet hast, ihr nehmt ja das alte Brot und setzt es dann für den Sauerteig wieder an, oder?

Stefan Geisenhofer: Genau richtig. Uns ist Nachhaltigkeit sehr wichtig. Wir verwenden unser Brot, das, was aus den Filialen zurückkommt, wieder, schneiden das klein, wir rösten das, brühen das mit heißem Wasser ab und geben dort einen Sauerteig zu, lassen es wieder einen Tag fermentieren und somit können wir das wieder unseren tagesfrischen Brotteigen zugeben. Der Vorteil dran ist, wir müssen nichts wegschmeißen, wir kriegen mehr Geschmacksstoffe wieder in den Teig rein und eigentlich profitiert jeder davon.

Moderatorin: Brot schmeißt ihr ja so gut wie gar nicht weg oder überhaupt nicht, weil ihr das eben dementsprechend wieder verarbeitet. Auf die Nussbeugerl kommen wir gleich. Du hast gerade eben von Rückläufern erzählt, wie viel Körbe gehen bei euch raus und wie viel kommen davon dann wieder zurück?

Stefan Geisenhofer: So ganz grob, wir produzieren circa täglich 25.000 Backwaren, das teilt sich dann so auf ungefähr 600 Körbe auf. Wir versuchen, dass wir nicht mehr als 10 bis 15 Körbe Retoure haben.

Moderatorin: Wie kriegt ihr das hin?

Stefan Geisenhofer: Wir haben ein filialeigenes Warenwirtschaftssystem, das heißt, die Filialen bestellen die Mengen, die sie benötigen. Unsere Filialen sind in relativ kleinem Radius, das heißt, wenn wir am Mittag feststellen, eine ist zu stark noch besetzt, dann können wir das weiter an die nächste schicken. Was ein bisschen Eigenideologie ist, wir besetzen nicht komplett bis zum Schluss, das heißt, lieber geht mal ein Produkt aus um 16 Uhr, als das wir um 18 Uhr dann zu viel wegschmeißen.

Moderatorin: Deswegen ist es für dich auch nicht in Frage gekommen, als ihr angefragt wurdet, in den Vorkassenbereich zu gehen von einem großen Supermarkt, um dort dann zu verkaufen.

Stefan Geisenhofer: Genau, es kam für uns nie in Frage, weil dort einfach oft die Auflage ist, dass bis 18 Uhr die Theke voll bestückt sein muss, die letzten zwei Stunden reichen dann einfach nicht mehr zum Abverkaufen.

Moderatorin: Jetzt kommen wir zu den Nussbeugerln und einem deiner Brüder, weil aus Brot kann Sauerteig gemacht werden, aber was macht ihr denn mit den anderen Sachen, die zurückkommen?

Stefan Geisenhofer: Wir haben eine eigene Landwirtschaft, wir haben dort Rinder und Schweine. Unsere Retoure wird dann weiter verfüttert. Der Kreislauf schließt sich dementsprechend, weil mein zweiter Bruder, der betreibt eine Metzgerei, die Tiere werden ausschließlich für die Metzgerei gezüchtet. Und mit unserer Retoure züchten wir eigentlich den Schinken von morgen.

Moderatorin: Großartig, wirklich toll. Das Einzige, was ihr wegschmeißt, sind Snacks oder belegte Brote, diese Geschichten, oder was macht ihr damit?

Stefan Geisenhofer: Genau, richtig, also das kommt bei uns weg.

Moderatorin: Und dann, was wird noch hergestellt, also Sauerteig, was macht ihr noch?

Stefan Geisenhofer: Wir machen ganz viel Semmelbrösel, Knödelbrot, produzieren unsere eigenen Brotchips. Da schneiden wir auch die Semmeln klein, rösten sie, geben Rosmarin und Meersalz dazu, verpacken sie und verkaufen sie wieder. Wir unterstützen die Tafel hier in Freising und so versuchen wir einfach, dass man das gut unterbekommt, dass wir wirklich nichts wegschmeißen.

Moderatorin: Was würdest du sagen, wie viel schmeißt ihr in der Woche weg?

Stefan Geisenhofer: In Kilogramm, oder?

Moderatorin: In Körben, in Kilogramm, ich kann es auch grad nicht so genau sagen, hat mich nur interessiert am Ende.

Stefan Geisenhofer: Vielleicht fünf Körbe.

Moderatorin: Toll.

Stefan Geisenhofer: Sagen wir zehn Körbe, aber wir sprechen davon, wenn wir circa am Tag irgendwo zwischen 20.000-25.000 Artikel haben, da reden wir ja von 130.000-140.000 Artikeln, die wir über die Woche verkaufen. Also das hält sich echt gut in Grenzen.

Moderatorin: 500 bis 600 Körbe am Tag gehen raus. Leider bin ich in Mathe total schlecht, aber jeder, der uns zuhört, kann es jetzt selber ausrechnen, wie viel am Ende tatsächlich übrig bleibt. Sensationell, lieber Stefan, ich danke dir und auch deiner Frau für diesen Einsatz. Das ist echt toll.

Stefan Geisenhofer: Danke.

Moderatorin: Ich komm gerne mal bei euch in der Bäckerei vorbei. Vor allem, weil das Sauerteigbrot, glaube ich, auch sehr, sehr gut ist für Menschen, die Unverträglichkeiten haben.

Stefan Geisenhofer: Genau richtig. Aufgrund der langen Fermentation, die wir unseren Teigen geben, bauen sich die schädlichen Kohlenhydrate und Eiweiße ab. Und wir haben am Anfang, als wir damit angefangen haben, ganz oft das Feedback bekommen, dass Leute, die Brote essen, die diesen Fermentationsdurchlauf nicht hatten, einfach Beschwerden hatten, und unsere Brote oder Semmeln das einfach nicht machen.

Moderatorin: Super. Ich freue mich, dich mal persönlich kennenzulernen. Vielen Dank für diesen Einblick.

Stefan Geisenhofer: Danke, danke.

Moderatorin: Und auch ihr könnt daheim tolle Sachen aus alten Backwaren machen.
Viele, viele Rezepte. findet ihr dazu auf der KErn - Homepage unter KErn Punkt Bayern Punkt de.
Eine ganz andere Idee, um aus Resten etwas Neues entstehen zu lassen, hat eine Gruppe junger Studenten der Technischen Universität München, kurz TUM. Eine Chemikerin, eine Biotechnologin, ein Lebensmitteltechnologe und eine BWL-Absolventin nennen sich zusammen “Circular Grain” und die stellen aus Treber, also das, was beim Bierbrauen übrig bleibt, die Milchalternative “Tremi” her.
Wie das genau funktioniert, und was das Besondere an dieser Milchalternative ist, erzählt uns jetzt Denise Ilogu. Sie ist die Lebensmittelchemikerin im Team.
Hallo Denise.

Denise Ilogu: Hallo Brigitte.

Moderatorin: Du, lass uns mal ganz von vorne anfangen. Was ist die Idee, und wie sieht die Umsetzung aus?

Denise Ilogu: Wir sind ein Start-up, das nennt sich Circular Grain. Die Idee dahinter ist, dass wir einen Rohstoff oder einen Nebenstrom der Bierindustrie, der nennt sich Treber, also das ist der getreidige Feststoff, der übrig bleibt, verwenden wollen, um eine Milchalternative daraus zu machen. Und dieser Treber ist besonders interessant als Ressource, weil er eben entweder an Tiere verfüttert wird oder weggeschmissen wird, obwohl er sehr nährstoffreich ist.

Moderatorin: Wie seid ihr dann auf die Idee gekommen, zu sagen, der ist aber zu schade, dass man den an Tiere verfüttert oder wegwirft, weil der nämlich ganz spezielle Nährstoffe hat?

Denise Ilogu: Die Idee entstand vor drei Jahren im Rahmen eines Workshops an der Technischen Universität München. Da haben sich ein Brauer, ein Lebensmitteltechnologe und eine BWLerin eben zusammengesetzt und haben verschiedene nachhaltige Ideen diskutiert. Und der Brauer, der hat eine Heimbrauanlage, und da fiel halt immer der Biertreber an, und dadurch, dass der Brauer ist, kennt er sich eben auch damit aus. Es wird an Tiere verfüttert teilweise, teilweise auch weggeschmissen, aber ist sehr nährstoffreich, also sehr reich an Proteinen und Ballaststoffen. Dann haben sie sich überlegt, wie kann man das für den menschlichen Verzehr umwandeln, dass wir eine sinnvolle und nachhaltige Lösung finden mit diesem Treber, und dann sind sie letzten Endes auf die Trebermilch gekommen.

Moderatorin: Die Trebermilch geht in Richtung Hafermilch, aber eben mit höherem Protein- und weniger Zuckergehalt. Ist das richtig so?

Denise Ilogu: Genau, der Treiber ist so ein getreidiger Feststoff, das heißt, es schmeckt getreidig, mild, ein bisschen müslimäßig und hat eben mehr Protein. Teilweise deshalb, weil in dem Brauprozess viele lösliche Stoffe, größtenteils Zucker rausgelöst werden. Der Zucker wird dann in dieser Flüssigkeit mit Hilfe von Hefen in Alkohol umgewandelt, und die Brauereien möchten, dass sie wirklich viel Zucker rauslösen. Je mehr sie rauslösen können, desto effektiver ist der Brauprozess und dann, was da übrig bleibt, das, was sich nicht löst, das ist der Treber, das heißt, er hat wenig Zucker und aufkonzentrierten Proteingehalt.

Moderatorin: Wie genau funktioniert das dann, dass der in eine Milch umgewandelt werden kann?

Denise Ilogu: Also, wir nutzen den schonenden Ansatz genauso wie die Hafermilch-Produktion. Das ist dann so, dass wir den Treber nehmen, den eben mit einer bestimmten Menge Wasser zusetzen und bei verschiedenen Bedingungen kochen, und da kann man ganz unterschiedliche Resultate dann kriegen. Wenn man fertig ist mit dem Kochen, hat man eben Feststoffe und diese Flüssigkeit, und wird in ein Filtertuch eingefüllt und dann wirklich mechanisch gepresst. Dann hat man die Flüssigkeit, die Basis, und da gibt man noch typische Zusätze hinzu, wie Öl oder Salz, und dann homogenisiert man das Ganze, und dann hat man die Milch.

Moderatorin: Wie weit seid ihr darin schon? Was ist da im Moment Stand der Dinge? Ich weiß, der Prototyp ist da, und ihr produziert, aber im Moment, glaube ich, nur in sehr kleinen Mengen

Denise Ilogu: Genau, wir produzieren noch in sehr kleinen Mengen. Wir sind in den letzteren Zügen der Entwicklung. Wir haben eben den Prototypen entwickelt, wie du gesagt hast, genau im Labormaßstab. Das hat alles sehr gut funktioniert, und der nächste Schritt wäre dann, mit einem Partner in die Produktion zu gehen und dann mehrere 100 Liter zu produzieren.

Moderatorin: Und damit wollt ihr dann auch wirklich in den Lebensmittelhandel, oder?

Denise Ilogu: Genau wir wollen in den Lebensmittelhandel.

Moderatorin: Welche Herausforderungen habt ihr da?

Denise Ilogu: Ähm, ja, der Lebensmittelhandel an sich. Es ist kein so einfacher Markt, zum einen, weil die Supermärkte eben recht hohe Margen verlangen, zum anderen, weil es einen größeren Preisdruck gibt, je nach wirtschaftlicher Lage, und wir denken, dass das eine Herausforderung sein wird, da den Markteintritt zu machen, tatsächlich mit Marketing und eben in Kooperation mit verschiedenen Lebensmitteleinzelhandel.

Moderatorin: Das heißt, ihr bräuchtet noch einen BWLer in eurem Team, einen weiteren, wenn ich das richtig verstehe.

Denise Ilogu: Genau, also wir würden idealerweise jemanden noch suchen, der uns genau in diesem Markteintritt und vor dem Markteintritt unterstützt, in Sachen Vertrieb und Sales, idealerweise jemand, der schon im Lebensmittelvertrieb Erfahrung hat. Wir würden uns sehr darüber freuen.

Moderatorin: Aber die Vermarktung soll in eurer Hand bleiben, also das wollt ihr nicht weggeben.

Denise Ilogu: Genau.

Moderatorin: Okay, wie war das denn jetzt so im Vorfeld und auch in der Entwicklung? Wie viel seid ihr da auch von der Uni unterstützt worden? Wie sieht es mit Sponsoren aus? Wo sind da die Höhen und die Tiefen?

Denise Ilogu: An der Uni, an der wir sind hier in München, an der Technischen Universität München, sind wir sehr, sehr gut aufgefangen worden von dem ganzen Start-Up Ökosystem hier, weil die TUM wirklich die Studenten in jeglicher Weise fördert, ob es mit Studiengängen oder mit verschiedenen Kursen, die man belegen kann, zum Thema Entrepreneurship, verschiedene Workshops, Programme, Veranstaltungen oder eben auch Institutionen, die wirklich die erste Anlaufstelle sind für Studenten, die ein Start-Up gründen wollen, aber nicht wissen wie, sind wir sehr, sehr gut unterstützt von der Uni.

Moderatorin: Super! Wie sieht es mit der Investorensuche aus, Denise?

Denise Ilogu: Investorensuche ja, wir sind dabei. Wir wollen nämlich für 2025 eine erste Finanzierungsrunde starten. Wir sind noch dabei, Investoren zu finden, sei es zum Beispiel aus der Brauerei oder Molkereibranche. Viele, mit denen wir gesprochen haben, möchten sich innovativ orientieren und neu orientieren, breiter aufstellen.

Moderatorin: Denise gibt es denn genug Treber, um das wirklich dann auch im ganz großen Stil aufzuziehen?

Denise Ilogu: Jährlich fallen 40 Millionen Tonnen Treber weltweit an. In Deutschland sind es 2 Millionen Tonnen Treber. Das entspricht dann 4000 Tonnen pro Tag, also 4000 mal 1000 Kilogramm pro Tag. Wir müssten nur 0,6 Prozent des gesamten deutschen Trebers nehmen, um das zu erfüllen. 0,6 Prozent, das heißt, es bleibt noch genug Treber übrig für Tierfutter oder andere neue Innovationen mit dem Treber, und wir können dieses höherwertige Produkt noch auf den Markt bringen.

Moderatorin: Wie macht ihr weiter Denise? Was ist jetzt der nächste Schritt?

Denise Ilogu: Wir sind jetzt gerade in Gesprächen mit potenziellen Partnern für die Produktion von diesen mehreren 100 Litern an Milch. Mitte des nächsten Jahres möchten wir dann professionell, sage ich jetzt mal, produzieren und auf den Markt gehen und dann natürlich weiter skalieren.

Moderatorin: Das heißt, wir werden eure Produkte Mitte, Ende nächsten Sommer in den Regalen finden?

Denise Ilogu: Ja, wenn alles gut läuft, bin ich sehr positiv, dass ihr das da finden könnt.

Moderatorin: Wir sind sehr gespannt - danke Dir Denise.

Sprecher: Weil Wissen bewegt – jetzt noch mal das Wichtigste zum Schnell Merken und Weitererzählen

Moderatorin: Die Zeit ist reif in den Bäckereien, sich auf frühere Verfahrensweisen zurückzubesinnen - Altbrot wieder zu verwenden und daraus Neues zu erschaffen und Lebensmittel zu retten. Gezielte Planung schafft es, am Ende des Tages weniger übrig gebliebenes Brot und Backwaren zu haben. Bleibt Brot trotzdem übrig, können daraus neue Lebensmittel wie zum Beispiel Brotchips gewonnen werden.
Und wir haben gehört - für Studenten mit tollen Ideen gibt es viel Unterstützung von Seiten der Universitäten und Hochschulen. Im interdisziplinären Team geht vieles mit Mitstreitern dann einfach leichter.
Für uns Verbraucher ist es spannend, einfach noch einmal die Anspruchshaltung zu überdenken. Müssen die Regale wirklich bis zum Ladenschluss voll sein? Denn das, was nicht verkauft wird, kann selbst von den Tafeln häufig nicht mehr aufgenommen werden, weil die Mengen einfach zu groß sind.
Und auch wir Verbraucher können mit Rezepten etwas Neues aus Altbackenem machen - einfach mal ausprobieren. Übrigens und auch noch spannend: Viele Bäckereien bieten Brot vom Vortag an. Da können wir als Verbraucher ruhig mal danach fragen.
Wir alle können Augen und Ohren offenhalten, denn der Trend geht dahin, dass es immer mehr Produkte im Handel gibt, die aus geretteten Lebensmitteln hergestellt werden.
Auch da - einfach mal fragen.
In unserer nächsten Folge treffen wir Pioniere des Handels. In einem Supermarkt, der als besondere Erlebniswelt die Kunden animiert, Lebensmittel zu retten. Und in einem Laden, der ausschließlich gerettete Lebensmittel anbietet und damit auch Menschen unterstützt, die sehr wenig Geld zur Verfügung haben.
Lasst euch begeistern und anstoßen. Denn jeder von uns kann ein Teil eines Kreislaufes werden, der die Verschwendung von Lebensmitteln stoppt.

Sprecher: Egal auf welcher Wertschöpfungsstufe Du stehst - als Landwirt, in der Gemeinschaftsverpflegung oder im Handel – auch Du bist Teil des Ernährungskreislaufs. Nur gemeinsam entstehen mit frischen Ideen aus Lebensmittelresten Gerichte und innovative Produkte. Weitere Infos auf KErn Punkt Bayern Punkt de, oder du klickst direkt auf den Link im Umfeld des Podcasts. Wir freuen uns auf dich – auch in der nächsten Folge des KErn-Podcasts: weil Ernährung ein Kreislauf ist!