Pilotprojekt in Betriebskantinen
Nudging zur Reduktion von Tellerresten
Nudging – also das „Anstoßen“ oder „Schubsen“ – zielt darauf ab, Entscheidungsprozesse durch gezielte Anpassungen der Umgebung so zu beeinflussen, dass nachhaltigere Verhaltensweisen gefördert werden – und das ganz ohne Verbote, finanzielle Anreize oder direkten Druck. Die Methodik wurde in bisherigen Projekten des Kompetenzzentrums für Ernährung (KErn) primär unter gesundheitlichen Aspekten untersucht. In einem neuen Projekt ging es nun auch um ressourcenschonende Gesichtspunkte.
Im Projekt (Laufzeit: Februar 2024 – April 2025) wurde untersucht, inwieweit sich der Einsatz von Nudges als Instrument zur Sensibilisierung für einen bewussteren und ressourcenschonenderen Umgang mit Lebensmitteln eignet. Zwei Münchener Pilotkantinen – eine mit durchschnittlich 400 und eine größere Einrichtung mit etwa 800 Essensgästen pro Tag – bildeten die Versuchsstandorte, um die Methodik unter realen Bedingungen zu evaluieren. Die Studie umfasste eine quantitative Erfassung der Tellerreste über jeweils vier Wochen vor und während der Implementierung des Nudges sowie Umfragen zum Bewusstsein und den Einstellungen der Essensgäste vorab sowie nach Einführung des Nudges.
Das Pilotprojekt diente zugleich als Grundlage für eine Masterarbeit, die in Kooperation mit der Georg-August-Universität Göttingen entstand.
Informations-Nudge
Die Wahl fiel auf sogenannte Informations-Nudges, da diese schnell, kostengünstig und ohne strukturelle Eingriffe umsetzbar waren. Auch die Nutzung von Default-Nudges, wie unterschiedliche Portions- und Tellergrößen, wurde diskutiert. Eine Umsetzung war jedoch aufgrund des Aufwands für die Kantinen nicht realisierbar.
Der eingesetzte Nudge besteht aus drei Plakaten, die unterschiedliche kognitive und verhaltensorientierte Elemente integrieren. Bei der Gestaltung wurde auf Erinnerungen, transparente Informationsoffenlegung und auffällige Hinweise gesetzt. Zudem wird über einen Call-to-Action („Lasst uns diese Zahl im November unterbieten“) ein konkretes Handeln der Betrachter adressiert.
- Plakat 1: Bietet allgemeine Informationen und kommuniziert das Engagement der Küche
- Plakat 2: Hebt die Möglichkeit hervor, To-Go-Behältnisse zu nutzen.
- Plakat 3: Weist auf die Option hin, kleinere Portionen bei der Essensausgabe zu wählen.
Tellerreste minimiert – Kausalität ungeklärt
Die Ergebnisse des Projekts deuten darauf hin, dass Nudges einen Beitrag zur Verringerung von Tellerresten leisten und das Bewusstsein der Essensgäste nachhaltig beeinflussen können. In den beiden untersuchten Kantinen konnte nach der Implementierung eines Informations-Nudges eine Reduktion der Tellerreste um 18,8 % beziehungsweise 32,7 % gemessen werden. Dabei scheint die Platzierung und Sichtbarkeit des Nudges eine entscheidende Rolle für dessen Wirksamkeit zu spielen.
Es bleibt jedoch unklar, ob der beobachtete Rückgang der Tellerreste direkt auf die Implementierung des Nudges zurückzuführen ist. Möglicherweise haben auch die Projektaktivitäten selbst dazu beigetragen, das Nachhaltigkeitsbewusstsein der Verpflegungsverantwortlichen weiter zu schärfen.
Zukünftige Forschungsfragen und Praxistests
Das KErn wird zukünftig weiteren offenen Fragen im Kontext der Nudging-Methodik nachgehen und die Praxistauglichkeit in vertieften Feldstudien testen. Dabei sollen insbesondere folgende Aspekte untersucht werden:
- Übertragbarkeit auf andere Settings:
Inwieweit lässt sich die Methodik auch in anderen Kontexten und Institutionen erfolgreich einsetzen? - Kombination unterschiedlicher Nudging-Methoden:
Wie wirken sich verschiedene Nudges in Kombination auf das Verhalten der Zielgruppen aus? - Langfristige Effekte:
Welche Effekte zeigen sich langfristig hinsichtlich möglicher Gewöhnungseffekte, der Konkurrenz durch eine Informationsflut und der generellen Akzeptanz der Maßnahmen?

© Julia Thiem
Nudging-Methoden zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung in Form von Tellerresten in zwei Betriebsgastronomien" – Kurzzusammenfassung als Posterpräsentation
Neue Poster-Serie "Food-Waste? Nein Danke! "

© KErn