KErn-Bereich Wissenstransfer
„Gesund leben in der Schwangerschaft“ (GeliS)
Hintergrund
Eine ausgewogene Ernährung, der Verzicht auf Alkohol und Rauchen sowie regelmäßige körperliche Bewegung wirken sich nicht nur positiv auf die Gesundheit der werdenden Mutter aus, sondern auch auf die des ungeborenen Kindes.
Vor diesem Hintergrund wurde das GeliS-Projekt ins Leben gerufen.
Die GeliS-Studie
Ziel des Projekts war es, ein Lebensstil-Interventionsprogramm im Hinblick auf die Vermeidung von kindlichem und mütterlichem Übergewicht und der Minimierung damit verbundener gesundheitlicher Risiken für Mutter und Kind in der Praxis zu erproben und zu evaluieren.
Die Gelis-Studie ist die größte Studie ihrer Art weltweit. Insgesamt konnten 2.286 schwangere Frauen aus zehn bayerischen Regionen in die Studie eingeschlossen werden. Die Hälfte der Schwangeren erhielt in den Interventionsregionen zusätzlich zur üblichen Schwangerenvorsorge Informationsmaterial und drei ausführliche Beratungsgespräche zu den Themen Ernährung, Bewegung und gesundheitsförderliche Lebensführung in der Schwangerschaft sowie ein zusätzliches Beratungsgespräch nach der Geburt des Kindes. Die Beratungsgespräche wurden von zuvor speziell geschulten Beratern zumeist in der Frauenarztpraxis durchgeführt. Somit mussten die Schwangeren keinen weiteren Termin neben den normalen Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen und der Aufwand für die Ärztinnen, Ärzte, medizinischen Fachangestellten und Hebammen war überschaubar.
In den Vergleichsregionen nahmen die Schwangeren an der etablierten Routinevorsorge teil. Sie erhielten lediglich Informationsmaterial zur Ernährung und Bewegung, jedoch keine Beratungsgespräche.
72 gynäkologische Praxen konnten für die Studie gewonnen werden und 81 GeliS-Beraterinnen und -Berater haben nach den GeliS-Schulungen ein Zertifikat erhalten.
Die Durchführungsphase der GeliS-Studie konnte im Jahr 2016 abgeschlossen werden.
Nach dem Monitoring und der Eingabe der Daten in die zentrale Datenbank im Jahr 2017 folgte die Auswertung der Studiendaten. Erste Ergebnisse wurden auf dem Fachkongress im April 2018 vorgestellt. Im Laufe des Jahres 2019 erfolgten weitere Veröffentlichungen inzwischen ausgewerteter Daten.
Lebensstil-Interventionsprogramm
Die Lebensstil-Intervention umfasste vier ausführliche, persönliche Beratungsgespräche, drei davon während der Schwangerschaft und eines nach der Geburt des Kindes. In den vier strukturierten Beratungsgesprächen wurde der Fokus auf eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung während der Schwangerschaft und Stillzeit sowie auf ein Gewichtsmonitoring während der Schwangerschaft gelegt. Zusätzlich wurde auf die Ernährung und Bewegung des Säuglings und in der Familie eingegangen.
Folgende Materialien lagen zur Unterstützung der Lebensstil-Intervention vor:
- Präsentationsmappe mit 24 anschaulichen Tafeln für die Beratung während der Schwangerschaft und 9 Tafeln für das Gespräch nach der Geburt (1)
- Gewichtskurve zum Gewichtsmonitoring
- Befragung zum Ernährungs- und Bewegungsverhalten und individuelles Feedback
- Aufkleber für Mutterpass/Kinder-Untersuchungsheft (2)
- Flyer/Broschüren (2)
- Bewegungsprogramm mit Übungen für jeden Tag
- Liste mit lokalen Angeboten
- Materialien der Kampagne "Schwangere? Null Promille!"
- Schrittzähler (Pedometer)
(1) erstellt von „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie“, im Bundeszentrum für Ernährung (BZfE), Bonn, unter Mitwirkung des KErn
(2) z. T. erstellt von „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie“, im Bundeszentrum für Ernährung (BZfE), Bonn
Studienregionen
An den Fachzentren Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung nachfolgender Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ÄELF) befanden sich die lokalen Studienzentren. Jedes Studienzentrum betreute jeweils eine Interventionsregion, in der die Lebensstilberatungen durchgeführt wurden, und eine Vergleichsregion.
AELF Fürstenfeldbruck (Oberbayern West):
- Landkreis Pfaffenhofen, Stadt Ingolstadt
- Landkreis Fürstenfeldbruck
AELF Regensburg (Oberpfalz):
- Stadt Weiden, Landkreis Neustadt an der Waldnaab, Stadt Amberg und Landkreis Amberg-Sulzbach
- Stadt und Landkreis Regensburg
AELF Bayreuth (Oberfranken):
- Stadt und Landkreis Bayreuth, Landkreis Kulmbach
- Stadt und Landkreis Bamberg
AELF Fürth (Mittelfranken):
- Stadt und Landkreis Fürth,
Stadt Erlangen und Landkreis Erlangen-Höchstadt - Stadt und Landkreis Ansbach, Stadt Schwabach,
Stadt Nürnberg und Landkreis Nürnberger Land
AELF Würzburg (Unterfranken):
- Stadt und Landkreis Würzburg,
Landkreis Main-Spessart, Landkreis Miltenberg - Stadt und Landkreis Schweinfurt, Landkreis Haßberge,
Landkreis Kitzingen, Landkreis Bad Kissingen, Landkreis Rhön-Grabfeld
Schulungen der GeliS-Beraterinnen und -Berater
Die strukturierten Beratungsgespräche mit den Schwangeren bzw. jungen Müttern/Eltern wurden durch Hebammen oder medizinisches Fachpersonal zumeist im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen in den Frauenarztpraxen durchgeführt. Diese wurden zuvor für diese Tätigkeit speziell geschult. Alle Materialien zur Beratung konnten kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
Die Schulungen fanden vor Ort in den Studienregionen statt. Sie wurden von den Projektkoordinatorinnen an den Fachzentren Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung der ÄELF organisiert und durchgeführt, unterstützt durch das GeliS-Studienteam am KErn und der TU München in Freising. Die Teilnahme an den Schulungen war Voraussetzung für die Tätigkeit als Berater/-in des GeliS-Projekts.
Inhalte der Schulungen (Teil 1)
- Einführung in die Studienabläufe
- Bedeutung von Ernährung, Bewegung, Gewichtsentwicklung in der Schwangerschaft für die Gesundheit von Mutter und Kind
- Empfehlungen für Ernährung und Bewegung/Sport in der Schwangerschaft
- Umgang mit Risiken (Alkohol, Rauchen, Gestationsdiabetes, Lebensmittelinfektionen) in der Schwangerschaft
Inhalte der Schulungen (Teil 2)
- Erfahrungsaustausch der GeliS-Berater/-innen und des GeliS-Studienteams
- Ernährung von Säuglingen (Stillen, Säuglingsnahrung, Ausblick auf die Einführung der Beikost)
- Ernährung der stillenden Mutter
- Bewegung im 1. Lebensjahr, für die Mutter und in der Familie
Ergebnisse der GeliS-Studie
→ zeigt keinen Einfluss der GeliS-Intervention auf die Gewichtszunahme während der Schwangerschaft sowie die Inzidenz von Schwangerschaftsdiabetes. In der Interventionsgruppe wurde durchschnittlich ein etwas niedrigeres Geburtsgewicht und eine geringere Geburtslänge der Neugeborenen beobachtet.
Im Laufe des Jahres 2019 folgten weitere Veröffentlichungen zu den Auswirkungen der Lebensstilintervention auf das Ernährungs- und Bewegungsverhalten der Schwangeren vor der Geburt, auf den kurz- und langfristigen Gewichtsbehalt der Mütter, das Geburtsgewicht der Kinder und auf das Stillverhalten der Mütter:
Effects of a Lifestyle Intervention in Routine Care on Prenatal Dietary Behavior-Findings from the Cluster-Randomized GeliS Trial
→ zeigt positive Effekte der GeliS-Intervention auf ausgewählte Ernährungsparameter. Im Kohortenansatz konnte der Einfluss ausgewählter Ernährungsparameter auf die Gewichtszunahme während der Schwangerschaft nachgewiesen werden.
Associations between Prenatal Physical Activity and Neonatal and Obstetric Outcomes—A Secondary Analysis of the Cluster-Randomized GeliS Trial
→ zeigt signifikante Unterschiede im Geburtsgewicht zwischen den Kindern von während der Schwangerschaft körperlich aktiven und inaktiven Frauen, jedoch nicht in anderen anthropometrischen Parametern. Frühgeburten traten bei körperlich aktiven Schwangeren seltener auf als bei inaktiven Schwangeren.
Associations between the Prenatal Diet and Neonatal Outcomes—A Secondary Analysis of the Cluster-Randomised GeliS Trial
→ zeigt positive Assoziationen zwischen einer gesunden pränatalen Ernährung der Mütter in der Früh- und in der Spätschwangerschaft, charakterisiert durch einen hohen Verzehr von Obst und Gemüse, sowie eine hohe Ernährungsqualität - gemessen mit einem Healthy Eating Index (HEI) - und dem Gewicht der Nachkommen. Im Gegensatz dazu waren der Verzehr von zuckerreichen Getränken (Softdrinks), ein höherer Zuckerkonsum und Alkoholkonsum in der frühen Schwangerschaft umgekehrt mit dem Geburtsgewicht assoziiert. Der Verzehr von Fast Food in der frühen Schwangerschaft war mit einem höheren Risiko für ein hohes Geburtsgewicht der Säuglinge verbunden.
Effects of a lifestyle intervention in routine care on prenatal physical activity – findings from the cluster-randomised GeliS trial
→ zeigt Verbesserungen im Bewegungsverhalten von schwangeren Frauen, die im Rahmen der Schwangerenvorsorge eine Lebensstilberatung erfahren hatten. In der Gesamtkohorte waren leichte und intensive Bewegungsintensitäten umgekehrt mit der Gewichtszunahme in der Schwangerschaft assoziiert.
Follow-Up Phase
Im Juni wurde eine weitere Publikation mit Studienergebnissen aus der Follow-Up Phase veröffentlicht. Sie ist im Special Issue „Health in Preconception Pregnancy and Postpartum“ des Journal of Clinical Medicine erschienen:
Diese erste Auswertung des 1-Jahres-Follow-Ups zeigt leicht positive Effekte der Intervention auf die mütterliche Gewichtsabnahme nach der Geburt sowie auf den Anteil an Frauen, die ihre Kinder voll stillten. Die klinische Relevanz der Ergebnisse ist jedoch kritisch zu beurteilen. Zusätzlich wurden Einflussfaktoren auf den postpartalen Gewichtsbehalt und das Stillverhalten analysiert, deren Berücksichtigung bei zukünftigen Ansätzen hilfreich wäre.