Kommentar KErn
Mythen und Fakten in der Ernährung
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Schlagzeilen rund um die Ernährung tauchen in den Medien immer wieder auf. Beiträge mit teils widersprüchlichen Studienergebnissen zur Ernährung zieren die Titelseiten. Ist Milch schädlich oder doch ein wertvolles Lebensmittel? Vegane Ernährung – gesund oder ungesund? Was ist dran an den Ernährungsempfehlungen, Ernährungstrends und immer neuen Ernährungsformen selbst ernannter Experten?
Ernährungsthemen sind in aller Munde und auch in den Medien jagt zum Thema Ernährung eine Schlagzeile die nächste. Es werden die neuesten Ernährungstrends präsentiert, die besten Diäten vorgestellt und die gesündesten Lebensmittel empfohlen. Alle paar Monate lesen wir in der Presse über DAS Superfood, das besonders gesundheitsförderlich ist oder DIE Diät, die wahrhaftig wirksam ist. Beiträge, die neueste Studienergebnisse präsentieren, werden mit emotionalen Schlagzeilen versehen, um bei den Lesern Aufmerksamkeit zu erregen.
Das Ergebnis: Die Verwirrung bei den Verbrauchern wächst, denn die hohe Anzahl an unterschiedlichen Botschaften verunsichert. Immer mehr Menschen misstrauen den gängigen, wissenschaftlich fundierten Empfehlungen. Sie wissen nicht, was man "überhaupt noch essen kann" bzw. "glauben kann" und halten an ständig neu auftauchenden Ernährungsideologien fest. Kritische Nachfragen am KErn häufen sich gerade in Richtung tierischer Produkte in den vergangenen beiden Jahren.
Ernährungsforschung in der Kritik
Das Interesse an Studienergebnissen aus der Ernährungsforschung ist hoch. Ergebnisse von einzelnen Studien werden häufig als Problemlöser präsentiert, obwohl einzelne Studien kaum Gewissheit bringen. Es scheint sich auch ein neuer Trend abzuzeichnen: Immer wieder tauchen süffisante Artikel auf, die die Ernährungsempfehlungen und die Ernährungsforschung ganz allgemein kritisieren. Die Botschaften sind stets dieselben: Ernährungsstudien sind nicht brauchbar, es gibt zu wenig kausale Zusammenhänge laut Meinung der Autoren, die Ergebnisse seien zu widersprüchlich und Ernährungsforscher ließen sich von der Ernährungsindustrie "kaufen". Prof. Dr. rer. nat. Gerd Antes, Mathematiker und Methodenwissenschaftler (Leiter des Deutschen Cochrane Zentrums) am Universitätsklinikum Freiburg, fasst es treffend zusammen: "Eine Dimension des ‚Übels‘ ist das isolierte Betrachten einzelner Studien und das mediale Hochkochen der Ergebnisse aus einzelnen Studien. Verschiedene Studien zur gleichen Fragestellung weichen naturgemäß voneinander ab – oft auch sehr stark. Die zeitgemäße Betrachtung sieht jede Studie im Kontext des bereits vorhandenen Wissens! Würde man jede Studie als Erweiterung des vorhandenen Wissens betrachten, wäre viel Aufregung und Irreführung vom Tisch."
Wissenschaftliche Studien verstehen
Die meisten Wissenschaftler wissen um die möglichen Verzerrungen sowie Störfaktoren, kennen sich mit Studiendesigns aus und erfassen, was eine Studie zu einer "guten" Studie macht. Die Medien und die Öffentlichkeit kennen die Fallstricke meist nicht. Ob den Ernährungsbotschaften in den Medien eine solide wissenschaftliche Basis zugrunde liegt, können nicht wissenschaftlich vorgebildete Verbraucherinnen und Verbraucher nur schwer einschätzen. Wie sollte also eine sachgerechte Ernährungskommunikation aussehen? Wie kann das Vertrauen der Verbraucher gestärkt werden? Forschungsministerin Prof. Dr. Johanna Wanka forderte in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeine Zeitung (vom 20.07.2015), dass wissenschaftliche Erkenntnisse auch verständlich für die Öffentlichkeit publiziert werden sollten.
Das sagt KErn dazu
Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen konsistente Ernährungsbotschaften. Es gilt, einen gesamtgesellschaftlichen Dialog im Bereich der Ernährung zu fördern. Entscheidend dabei ist, dass Journalisten sich die Zeit nehmen, Studien in ihrer Komplexität für den Verbraucher verständlich zu erläutern und Wissenschaftler mehr in den Dialog miteinzubeziehen – anstatt einzelne Bücher, Studien oder Aussagen selbst ernannter Experten in reißerischen Schlagzeilen hochzujubeln. Ernährungswissenschaftler wie auch -mediziner auf der anderen Seite sollten nicht müde werden, ein realistisches Bild der Studienergebnisse in die Öffentlichkeit zu tragen. KErn bietet eine Plattform für wissenschaftsbasierte Aussagen und konzipiert Projekte, die in der Praxis umgesetzt und evaluiert werden.
Buchtipp "Wo ist der Beweis. Plädoyer für eine evidenzbasierte Medizin"
Welche Therapien, deren Nutzen sicher erschien, haben sich als nutzlos oder gar schädlich herausgestellt? Welche Forschungsergebnisse sind in der Praxis anwendbar und welche nicht? Wie weit reicht der verfälschende Einfluss ökonomischer Interessen? Ist Vorsorge immer sinnvoll? Und vor allem: Wie können Patienten erkennen, ob die Empfehlungen ihres Arztes auf gesichertem Wissen beruhen oder auf zufälligen Einzelerfahrungen und Vorlieben?
Die Autoren dieses Buches sind anerkannte Experten der «evidenzbasierten Medizin», die das weltweit verfügbare medizinische Wissen systematisch auswertet und überprüft. Sie wollen nicht das Vertrauen in die Medizin untergraben; aber sie bestehen darauf, dass nur aufgeklärte und kritische Patienten dazu beitragen können, dass im Gesundheitswesen nutzenbringende Therapien gefördert und unnütze unterlassen werden.
Zum Volltext des Buches “Wo ist der Beweis?” (erschienen im Mai 2013)